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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
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168 | www.limina-graz.eu Franz Winter | Hat neben Gottes Allmacht der freie Wille noch Platz? kiert. Dem steht auf der anderen Seite die Frage nach der Verantwortung des Menschen für seine Taten und deren Relevanz für das endzeitliche Ge- richt gegenüber. Diese grundsätzliche Spannung ist im Koran grundgelegt und in der weiteren theologischen Tradition ausgeführt worden, die in un- terschiedlicher Art und Weise versuchte, diese Fragestellung aufzulösen. Dass das Themenumfeld im Islam ein ganz zentrales ist, erhellt allein die Tatsache, dass einer der sechs grundlegenden „Glaubensinhalte“, d.  h. der Traktat imān, mit dem zentralen Begriff qadar (meist als „Vorbestim- mung“, „Vorhersehung“) verbunden ist und oft in der Formulierung ent- gegentritt: der Glaube an „die (göttliche) Vorherbestimmung, das Gute an ihr und auch das Schlechte an ihr“. Diese übliche Formulierung geht im Endeffekt auf die einschlägige Aufzählung im sogenannten „Gabriel Ha- dith“ zurück (ḥadīth Jibrīl), der klassisch unter anderem die fünf Säulen des islām und die sechs Bereiche des imān („Glaube“) beinhaltet und in der Auslegungstradition eine zentrale Rolle spielt.4 Im Islam wird diese Debatte in den theologischen Traktaten unter der Überschrift al-qaḍā’ wa-l-qadar (etwa: „Entscheidung und Bestimmung“) geführt, wobei der erste Begriff, der schon aus dem vorislamischen Kontext bekannt ist, mehr den Fokus auf die „Entscheidung“ Gottes in Bezug auf die Menschen im Blick hat, während qadar (eigentlich „Anteil“) ursprüng- lich eher einen quasi quantitativen Aspekt einführt, der sich unter anderem auf die Lebensspanne oder den prinzipiellen Anteil am Leben und seinen Ressourcen bezieht (Ringgren 1955, 5–61). Im Folgenden soll versucht werden, diesem Thema in der islamischen Tra- dition in der gebotenen Kürze gerecht zu werden. Dabei geht es nicht um die Isolierung der islamischen Position diesbezüglich, sondern vielmehr um eine historisch kontextualisierende Auseinandersetzung mit prinzipiellen Überlegungen und Denkfiguren, die im Kontext der sehr breiten islami- schen Tradition entwickelt wurden. Deren historisch orientierte Beschrei- bung steht im Zentrum der Darstellung und es wird kein Anspruch erho- ben, in diesem Beitrag eine neue Sicht auf die Entwicklung zu werfen. Dabei soll prinzipiell mit der Grundsatzklärung durch al-Ash‘arī im 10. Jahrhun- dert der Endpunkt auch dieser Darstellung markiert sein. Dabei muss aber betont werden, dass die Diskussion danach sehr wohl noch weiterging und äußerst weitgefächert verlief. Wie bei allen großen religiösen Traditionen haben wir es bei so komplexen Fragen zumeist mit einem ganzen Pool an Überlegungen zu tun, die sich innerhalb eines gewissen Rasters entwickeln und zudem niemals als endgültig abgeschlossen betrachtet werden dürfen. 4 Die zitierte Formulierung dieser Wendung (im Arabischen: bi-l- qadari khairihi wa-sharrihi) findet sich in umfangreicheren Versionen dieses Hadith, beispielsweise in der weitverbreiteten „40 Hadith“ Sammlung von an-Nawawī (1233– 1277), al-arba‘īn al-nawawiyya, als Nr. 2. Vgl. Zarabozo 1999, Vol. 1, 151f. Zu den verschiedenen Versionen und der Interpretationsgeschichte dieses wichtigen Hadith vgl. Nagel 2008, 709–711.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
2:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
267
Categories
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