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Franz Winter | Hat neben Gottes Allmacht der freie Wille noch Platz?
(frĂŒhes 8. Jh.) (vgl. Judd 1999), besonders hervorgehoben, um die QÄdiriyya
zu diskreditieren. Prominent war die Bewegung vor allem im Zuge der drit-
ten fitna, einer Serie von AufstÀnden am Ende der Umayyaden
herrschaft
(744â747), die viel zum abtrĂ€glichen Image dieser Bewegung beigetragen
hat. Doch lĂ€utete diese schon den Ăbergang zu den neuen MachttrĂ€gern,
den Abbasiden, ein, unter deren Herrschaft die QÄdiriyya schlieĂlich zu
einem Ende kam (Judd 2013).
Ihre Ideen und die Themen blieben jedoch lebendig und wurden schon
im 8. Jahrhundert von der bedeutenden theologischen Strömung der
Muâtaziliten wieder aufgenommen. Mit ihnen verbindet sich die Entwick-
lung der Tradition des kalÄm, die durch die Ăbernahme und Rezeption der
Methodik antiker griechischer dialektischer Philosophie in den Islam ein-
gelĂ€utet wurde. UrsprĂŒnglich in erster Linie als Apologetik des Islam gegen
andere Religionen wie Christentum oder ManichÀismus gedacht, entwi-
ckelte sich der kalÄm zu einer produktiven spekulativen Auseinanderset-
zung mit der eigenen religiösen Tradition. Die darin ausgelöste Diskus-
sion thematisierte zentrale Fragestellungen, die bis dahin noch ungelöst
waren und die nun einer systematischen Betrachtung zugefĂŒhrt wurden,
zumal sich die neue Strömung anfĂ€nglich der Förderung durch die frĂŒ-
hen Abbasidenherrscher versichern konnte (Hughes 2013, 189â191). Wie
noch auszufĂŒhren sein wird, fĂŒhrte die Debatte aber letztendlich zu einer
Exklusion der Muâtaziliten, deren Positionen als zu spekulativ und kĂŒhn
wahrgenommen wurden und einer orthodoxen, traditionalistischen Fest-
legung Platz machen mussten, die vielfach eine relative Einzementierung
in einer Reihe von zentralen Punkten mit sich brachte. Bedeutende weite-
re Impulse kamen dann vor allem von der Schule, die sich auf al-AshâarÄ«
(873/874â ca. 935/936) zurĂŒckfĂŒhrt, dem eine Art Synthese aus Konzepten
der Muâtaziliten und der orthodoxen, traditionalistischen Positionierung
nachgesagt wird, die fĂŒr die weitere Entwicklung der islamischen Theolo-
gie bis heute zentral ist (Hughes 2013, 192f).
Neben der Frage nach der Erschaffenheit oder Unerschaffenheit des Koran,
mit dem man viele weitere Themen wie die des Charakters der Offenbarung
ĂŒberhaupt oder zentraler Aspekte des GeschichtsverstĂ€ndnisses verband,
oder der nach dem VerhĂ€ltnis von Vernunft (âaql) und Glaube und der Auto-
nomie rationalen Denkens, war in diesem Zusammenhang auch die Frage
Die Rezeption der Methodik antiker griechischer
dialektischer Philosophie in den Islam
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 267
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven