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Georg Gasser | „I0I00I0II ... Ich, digital?“
Nachdem diese wesentlichen Aspekte der uns vertrauten personalen Le-
bensform skizziert worden sind, gehe ich in den folgenden Abschnitten
der Frage nach, welche Annahmen zu Bewusstsein und Verkörperung beim
Mind-Uploading im Vordergrund stehen und inwieweit diese Annahmen
sich mit den hier gemachten Überlegungen decken.
Bewusstseinstheoretische Voraussetzungen des Mind-Uploading
und ihre Kritik
Mind-Uploading wird von vielen Transhumanisten als eine anzustrebende
Zukunftstechnologie gesehen, bei der unser mentales Leben auf ein exter-
nes Medium übertragen wird, um uns von körperlich-biologischen Ein-
schränkungen befreien zu können.4 Entscheidend für die mögliche Reali-
sierung dieser Technik ist somit die Annahme, dass Bewusstsein von seinen
biologischen Grundlagen losgelöst und auch unabhängig vom menschli-
chen Organismus existieren kann.
Die hierfür erforderliche Bewusstseinstheorie ist funktionalistischer Art
(vgl. Weir 2018, 230). Demgemäß ist Bewusstsein ein komplexes funktio-
nales Phänomen. Die Komplexität kausaler Strukturen ist für das Hervor-
bringen von Bewusstsein entscheidend, während die materielle Realisie-
rung dieser Strukturen – ob biologisch oder anderweitig – eine nachge-
ordnete Rolle spielt. Solche Bewusstseinstheorien gehen davon aus, dass
Bewusstsein der Ausdruck des kausalen Zusammenspiels von Input, Out-
put und den zwischengeschalteten internen Verarbeitungsmechanismen
ist und somit seiner Art nach einem Computerprogramm ähnelt.
Wir sind grundsätzlich mit der Erfahrung vertraut, dass eine Software auf
unterschiedlichen Hardwares herunter- und hinauf-„geladen“ werden
kann und dass diese Software solange einwandfrei funktioniert, solange
eine funktionale Isomorphie zwischen den verschiedenen Hardwares ge-
geben ist. Auf unser Bewusstsein übertragen, bedeutet dieses Modell, dass
die für Bewusstsein erforderliche funktionale Struktur, die bisher durch
unseren Körper (bzw. dessen dafür relevante Teile) biologisch realisiert
wird, theoretisch auch von anderen geeigneten Medien gewährleistet wer-
den kann. Solange zwischen unserem Körper und diesen technologisch
Ist Bewusstsein der Ausdruck eines kausalen Zusammenspiels
von Input, Output und internen Verarbeitungsmechanismen?
4 Für einen ersten Kurzüberblick
zum Verständnis des menschlichen
Körpers im Transhumanismus siehe
z. B. Thweatt 2018.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven