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Georg Gasser | „I0I00I0II ... Ich, digital?“
dass sie Teil unseres Körpers ist, stellt sich deswegen ein, weil die Rahmen-
bedingungen des Körpermodells dank der tatsächlichen Hand jenes auch
zulassen. Dieses Experiment verdankt seinen Bekanntheitsgrad der Illu-
sion hinsichtlich dessen, was tatsächlich Teil unseres Körper ist und was
nicht, aber es weist aufgrund seines Settings eigentlich auch darauf hin,
dass sehr spezifische Bedingungen gegeben sein müssen, damit etwas als
Teil unseres Körpers erfahren wird und sich ein entsprechendes Gefühl der
Körperzugehörigkeit einstellen kann.
Ist eine Integration in das uns grundgelegte Körpermodell nicht möglich,
wird sich eine Erfahrung der „Körper-Meinigkeit“ nicht ergeben, sondern
Dinge werden höchstens als extern mit dem Körper verbunden wahrge-
nommen. Das Heben einer Greifzange in der Hand führt z. B. nicht dazu,
dass wir die Zange selbst als Teil unseres Körpers wahrnehmen, sondern
höchstens als eine Extension des Körpers über das übliche Maß hinaus, da
wir in der Lage sind, Dinge in weiterer Entfernung zu ergreifen, als wir dies
eigentlich gewohnt sind. Es liegt folglich ein wesentlicher Unterschied vor
zwischen der Integration körperfremder Bestandteile in das eigene Kör-
permodell und der rein äußerlichen Extension des Körpers bzw. der Erwei-
terung körperlicher Vollzüge durch das Benutzen von Instrumenten. Diese
Tatsache spielt bei der Frage nach der Möglichkeit eines Mind-Uploads auf
andere Medien eine entscheidende Rolle, denn selbst wenn ein Bewusst-
seinstransfer von biologischen auf nicht-biologische Strukturen mög-
lich sein sollte, muss entweder eine entsprechende Ähnlichkeit des Kör-
permodells vorliegen oder es müssen zumindest die erforderlichen Reize
davon gegeben sein, um eine Kontinuität im Bewusstsein gewährleisten
zu können, damit eine Selbstidentifikation mit der biologisch realisier-
ten Phase unserer Existenz erfolgen kann. Es ist also davon auszugehen,
dass das Medium, auf welches der Mind-Upload erfolgt, unser Körper-
modell berücksichtigen und zumindest dermaßen realistisch simulieren
muss, dass eine Illusion der Körperlichkeit gegeben ist. Dies scheint auch
dahingehend notwendig zu sein, dass eine tiefgreifende Veränderung der
eigenen Körperlichkeit hinsichtlich Beschaffenheit, Form und Aussehen
nicht nur unser Selbstverständnis der Einheit der menschlichen Person,
sondern auch unsere Handlungsfähigkeit und zwischenmenschlichen In-
teraktionsformen auf substantielle Weise betreffen wird. Schließlich kann
Es braucht sehr spezifische Bedingungen, damit etwas
als Teil unseres Körpers erfahren werden kann.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven