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Christian Wessely | Wie spricht ein Geist zum anderen Geist?
of design, ein Zugeständnis an die unausweichliche Art unseres Denkens in
der Konzeption technischer Prozesse (eine starke KI wĂĽrde das Kommuni-
kationsmodell mit einiger Sicherheit völlig anders aufziehen). Im Layer 7
kommt die Notwendigkeit eines user interface hinzu, das möglichst leicht
erlernbar sein soll. Wohlgemerkt: Es geht nach wie vor darum, dass der
Mensch die Bedienung des Systems erlernt, nicht umgekehrt; auch wenn
die intuitive Bedienbarkeit enorme Fortschritte macht, bleibt die (zweck-
gebundene) Ausrichtung des technischen Systems die Referenz fĂĽr die
Herbeiführung einer entsprechenden Funktionalität.
In sich ist der Prozess jedoch konsequenterweise ausschlieĂźlich technisch
orientiert. Er muss streng objektiviert ablaufen. Erst dadurch wird die
Funktionalität der Protokolle gewährleistet; aber genau dadurch werden
die oben angeführten Schlüsselbegriffe der conditio humana – Wahrheit,
Vertrauen, Schuld und ggf. Sühne – radikal ausgeschlossen, da diese Funk-
tionalität zwar zwischen korrekter Funktion und Fehlfunktion unterschei-
den kann, aber weder die angesprochene Frage nach der transzendenten
Instanz, die als BĂĽrge fĂĽr diese vier so menschlichen SchlĂĽsselbegriffe ein-
springt, stellen noch eine Antwort darauf bieten könnte. Anders gesagt: Die
Sicherstellung der Integrität der Kommunikation lässt keinen Raum für
jene Freiheit des Denkens, die eine Sinndimension eröffnen könnte.
Dritte Prämisse:
Jede menschliche Entwicklung ist anfällig für das Dämonische.
Der Bruch im Duktus dieses Beitrages ist einer Formulierung von Paul Til-
lich geschuldet. In seiner Systematischen Theologie formuliert er:
„Das Dämonische widerstrebt nicht der Selbst-Transzendierung, wie
es das Profane tut, sondern verfälscht die Selbst-Transzendierung, in-
dem es einen bestimmten Träger der Heiligkeit mit dem Heiligen selbst
identifiziert […] Der Anspruch des Endlichen, unendlich und von göttli-
cher Größe zu sein, ist das Charakteristikum des Dämonischen.“ (Tillich
2017, 581)
Das „Dämonische“, von dem Tillich hier spricht, ist all das, was dazu ver-
leitet, Zweck und Mittel in eins zu setzen oder gar zu verwechseln. Nun er-
hebt freilich kein digitales System von selbst den Anspruch, „unendlich
und von göttlicher Größe zu sein“; solch ein Schritt wäre nur von einer
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven