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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
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Page - 123 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2

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123 | www.limina-graz.eu Christian Wessely | Wie spricht ein Geist zum anderen Geist? Diese Schöpfungsidee muss radikal ernst genommen werden: Der Mensch ist dann und nur dann Mensch, wenn er die Gottesprädikate in Analogie und begrenzt, aber doch nach seinen besten Möglichkeiten verwirklicht und an- deren zu verwirklichen hilft: Ganz im Jetzt sein; ganz im Hier sein; sich mü- hend um Wissen und um Handlungsmöglichkeiten, aber vor allem und alles dies unter dem Vorzeichen der Barmherzigkeit. Bleibt es unberücksichtigt, entstehen jene „Zombies“, von denen Peter Strasser (vgl. 2016) spricht.28 Damit ist aber zweierlei klar: Zunächst ist genau dieser Handlungsort das Entscheidungsfeld für die Transzendenzoffenheit des Menschen, sei es im Hinblick auf die mittlere oder große Transzendenzdefinition Luckmanns. Wird er ausgeklammert, vergibt sich das Individuum eine der wenigen Chancen, sich als etwas auszuweisen, was mehr ist als bloße haecceitas.29 Sodann ist dadurch einsichtig, dass ein technisches System zwar als ein Ort betrachtet werden kann, an dem das Objekt der mittleren und großen Trans zendenzerfahrung sich dem eigenen Selbst gegenüber äußert, ähnlich wie brennende Dornbüsche oder ein Windhauch (vgl. Ex 3,2; 1 Kön 19,12), aber keineswegs die Repräsentation dieser Erfahrung selbst sein kann. Mit Tillich wäre das größte Risiko der Dämonisierung an dieser Stelle wohl, Ort und Repräsentation zu verwechseln. Hans-Dieter Mutschler hat be- reits 1998 die Forderung nach einer Theologie der Technik vorgelegt, die sich dadurch auszuzeichnen habe, technologische Entwicklungen (auch im Sinne von konkreten Produkten) im Hinblick auf ihre trans-utilitaristische Komponente als potentielle Repräsentanz religiöser Transzendenz zu deu- ten (vgl. Mutschler 1998, 243–244). Diese von Mutschler vorgelegte For- derung erscheint angesichts der derzeitigen Entwicklung dringender denn je; ihre Erfüllung ist aber trotz bemerkenswerter Ansätze30 nach wie vor nicht absehbar, und zwar, wie ich unterstelle, prinzipbedingt. Folgerungen Wenn wir die angeführten Prämissen akzeptieren und ernst nehmen, er- geben sich einige Folgerungen, von denen ich vorerst drei herausgreifen möchte, um sie hier in aufsteigender Reihenfolge ihrer Wichtigkeit anzu- führen. 28 Strassers These von der poten- tiellen metaphysischen Hohlheit des Menschen, die sich in medien- kulturellen Produkten spiegelt, trifft einen Kern des Problems. Wer verschiedene Challenges auf Tik- Tok (Kulikitaka, SuperGlue etc.), die als Markenzeichen zelebrierte Oberflächlichkeit verschiedenster Influencerinnen und Influencer auf YouTube bzw. das Medienkonsum- verhalten der Jugendlichen und jun- gen Erwachsenen gegenüberstellt, gewinnt ein eigenartig inkohärentes Bild. In ihrer Selbsteinschätzung sind insbesondere Jugendliche sehr verantwortungsvoll und be- dacht; woher dann die ungeheuren Klick- und Follower-Zahlen von mit klassischen moralischen Modellen inkompatiblen Medienprodukten kommt, ist nicht völlig nachvoll- ziehbar. Vgl. dazu: vom Orde/Durner 2020. 29 Aus Sicht des Autors sind die anderen drei Möglichkeiten – nicht zufällig – identisch mit den christ- lichen Kardinaltugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. 30 Klaus Müller kann hier als Vor- denker gelten (vgl. Müller 2008, 211-260; Müller 2011). Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen. Diese Schöpfungsidee muss radikal ernst genommen werden.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
270
Categories
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