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Karl Stöger | Dürfen Maschinen menschliche Barmherzigkeit ersetzen?
lität pflegebedürftiger Personen sind diese Vorgaben praktisch besonders
wichtig.2
Zum anderen kann Pflege – egal, ob „digitalisiert“ oder nicht – zu Frei-
heitsbeschränkungen führen. Technisch ist hier an automatische Türver-
riegelungen, zukünftig vielleicht auch an „blockierende“ Pflegeroboter zu
denken. Auch hier gibt es eine klare verfassungsrechtliche Vorgabe: Die
Freiheit darf einem Menschen im Rahmen der Pflege nur dann entzogen
werden, wenn eine Person „wegen psychischer Erkrankung sich selbst
oder andere gefährdet“. Ausnahmsweise räumt die Rechtsordnung auch
privaten Pflegeeinrichtungen diese Möglichkeit ein, gibt dafür aber im
Heimaufenthaltsgesetz genaue Vorgaben, welche vor allem eine gericht-
liche Überprüfung solcher Maßnahmen beinhalten.
Der Begriff der Freiheitsbeschränkung ist dabei technologieneutral zu ver-
stehen, d. h. diese Vorgaben sind für manuelle, medikamentöse und digi-
tale Freiheitsbeschränkungen gleichermaßen zu beachten. Das System des
Heimaufenthaltsgesetzes3 ist inzwischen langjährig erprobt und insoweit
auch geeignet, mit digitalen freiheitsbeschränkenden Systemen umzuge-
hen.
Insgesamt zeigt sich somit, dass ein durchaus „greifbarer“ grundrecht-
licher Rahmen für die Digitalisierung der Pflege besteht. Die Schwierig-
keit liegt in seiner „Effektuierung“, d. h. der Umsetzung seiner Vorgaben
im privaten Bereich. Hier sind insbesondere Aufsichtsbehörden, Gerichte
und Produktzulassungsstellen (bzw. die nachprüfende Marktaufsicht) ge-
fordert, und punktuelle Anpassungen bestehender Gesetze zur besonderen
Berücksichtigung digitaler Pflegeumgebungen (auch im Berufsrecht) er-
schienen hier durchaus sinnvoll. Dennoch ist der bestehende Rechtsrah-
men, allenfalls mit gewissen Unsicherheiten im Einzelfall (in dem Gerichte
und Behörden dennoch entscheiden müssen), grundsätzlich geeignet, auch
die Herausforderung „Digitalisierung der Pflege“ zu bewältigen. Es ist also
nicht so, dass man sich in einem rechtlichen Vakuum befindet, in dem nur
die Ethik Handlungsempfehlungen geben kann. Letztere hat freilich ihre
besondere Rolle bei der Suche nach dem gesellschaftlichen Umgang mit
noch bzw. näher zu regelnden Fragen in diesem Bereich.
2 Zur Thematik aus ethischer Pers-
pektive vgl. die Beiträge in Zeitschrift
für medizinische Ethik 62 (2016) 1:
„Der überwachte Patient“.
3 Für einen Überblick siehe z. B.
Herdega/Bürger 2020, 267.
Es besteht ein durchaus „greifbarer“ grundrechtlicher
Rahmen für die Digitalisierung der Pflege.
Die Schwierigkeit liegt in seiner „Effektuierung“.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven