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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
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36 | www.limina-graz.eu Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum 1 Hinführung Essen und Trinken gehören nicht nur zu den Grundbedürfen jedes tieri- schen wie menschlichen Geschöpfes, sondern bilden auch eine wichtige Grundlage von Kultur. Kultur umfasst die Gesamtheit menschlicher Arbeit und Lebensformen, und im Sinne der von Ernst Cassirer initiierten „Phi- losophie der symbolischen Formen“ kann man damit den Menschen und die Gesellschaft „in [ihren] sprachlichen Formen, in Kunstwerken, in my- thischen Symbolen oder religiösen Riten“ (Cassirer 1960 [1944], 39) be- schreiben. „Der Mensch lebt in einem symbolischen und nicht mehr in ei- nem bloß natürlichen Universum“ (ebd.). Dies gilt nicht zuletzt für Essen, Trinken und Fasten. In einem religiösen kulturprägenden Kontext tritt die Speise etwa im Rah- men eines heiligen Mahls auf, aber natürlich auch als Opfer. Fasten wie- derum ist nicht nur Essensverzicht, sondern auch Ausdruck der Buße und unterstützt das Gebet, z. B. bei Hungersnöten, Dürren oder Bedrohungen von außen. Als Teil der regelmäßigen Liturgie trägt es zum kollektiven Ge- dächtnis bei, im Judentum z. B. bei Bußfeiern oder besonderen Feiertagen wie dem Jom Kippur oder dem 9. Av (an dem man u. a. der mehrfachen Zer- störung des Jerusalemer Tempels gedenkt).1 Lange Zeit bildete der Tempel in Jerusalem das geistige und rituelle Zentrum des jüdischen Volkes. Op- ferdarbringungen brachten Struktur in den Tag und waren unverzichtba- rer Bestandteil der Gottesbeziehung. Mit dem Opfer waren Schlachtungen am Tempel verbunden, die auf rituelle Weise (Schächtung) zu geschehen hatten. Die profane Schlachtung, vor allem in Dtn 12 erwähnt, steht dazu in gewissem Gegensatz und war Folge der Zentralisation des Kultes auf Je- rusalem. Nach der Zerstörung des Tempels 70 n. a. Z. und vor allem nach der Nieder- schlagung des Bar Kochba-Aufstandes durch Rom wurde Jerusalem seiner Bedeutung als Kultzentrum beraubt, den Juden sogar verboten, die Stadt zu betreten. Mit kurzer Unterbrechung im 7. Jahrhundert, in dem Juden unter persischer Herrschaft Jerusalem kontrollierten, blieb die Stadt bis in die Moderne als „reale“ Größe wenig attraktiv, umso mehr jedoch als Identi- fikationsort, aufgeladen mit Träumen und Utopien, als Zentrum und Nabel der Welt apostrophiert. Wenn einst der Messias kommen wird, werden alle „Der Mensch lebt in einem symbolischen und nicht mehr in einem bloß natürlichen Universum.“ 1 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Erzählung vom vierzig- jährigen Fasten Rabbi Tzadoqs während der Belagerung Jerusalems durch die Römer, die lange Zeit bewirkte, dass die Stadt nicht ein- genommen werden konnte, u. a. im babylonischen Talmud Gittin 56a. – Den Bereich des Fastens, der eine wichtige Rolle im Judentum spielt, werde ich aus Platzgründen in die- sem Beitrag nicht weiter behandeln.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
4:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
214
Categories
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