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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
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38 | www.limina-graz.eu Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum (aschkenasische Form des hebräischen trefa) zu versehen. Woher kommen diese Begriffe? Kascher bedeutet so viel wie „angemessen sein“ und begegnet in der Bibel nur in späteren Texten, in Est 8,5 sowie Koh 10,10 und 11,6. Hier geht es je- doch nicht um Speisegesetze. Erst die Rabbinen verwenden die Begriffe im Zusammenhang mit kultischer Reinheit, Speisegesetzgebung und ritueller Tauglichkeit. Nicht nur Speisen können koscher sein, sondern beispielsweise auch eine Torarolle, die nach allen gesetzlichen Vorgaben hergestellt wurde. Im wei- teren übertragenen Sinn werden auch Umstände oder Menschen mit dem Prädikat koscher versehen. „Nicht ganz koscher“ drückt dann ein Unbeha- gen gegenüber Sachen oder Personen aus, denen man nicht vertraut. Neben koscher und trefe unterscheidet man heute auch noch neutrale Spei- sen als parve3. Dazu gehören vor allem Gemüse, Früchte, Getreide, Honig und Eier, ebenso Tee, Kaffee, Erfrischungsgetränke sowie etliche Süßigkei- ten. Fisch ist ebenfalls parve, wird aber – wohl wegen einer auf das wich- tige spätmittelalterliche Gesetzeskorpus Schulchan Aruch zurückgehenden Regelung – nicht zusammen mit milchigen Speisen gegessen, obwohl noch der Talmud4 (Chullin 103b) darin kein Problem sah. 3 Fleisch oder nicht Fleisch – und wenn ja, welches? Der Fleischgenuss wurde in der Bibel erst nach der Sintflut erlaubt (Gen 9,1–4). Im Paradies hatten Adam und Eva sich von Früchten und Pflanzen ernährt und einmal auch von der falschen Frucht gekostet, die nach An- sicht der Rabbinen vieles war, nur kein Apfel. Das paradiesische Zeitalter ist vorbei, doch haben immer wieder jüdische Gelehrte daran angeknüpft und das vegetarische Essen als vorbildhaft bezeichnet. Einer der bedeutendsten war sicher Rav Abraham Isaak Kook (1865–1935), der erste aschkenasische Oberrabbiner Israels. Er betonte, dass die Erlaubnis zum Fleischgenuss nach Dtn 12,20 eigentlich ein versteckter Vorwurf und ein eingeschränktes Gebot an die Menschheit war. Es werde der Tag kommen, an dem die Men- schen aus moralischen Überlegungen den Fleischverzehr ablehnen würden. Für die messianische Zeit prophezeite er, dass diese wieder die paradiesi- schen Zustände herstellen würde, dass die Tiere dann an der Erkenntnis des Menschen Anteil hätten und im wiedererrichteten Tempel nur vegeta- rische Opfer dargebracht würden. Damit werde die in Jes 9,6–11 dargelegte Vision vom friedlichen Miteinander erfüllt. In einem zukünftigen idealen 3 Zur Herkunft des Wortes siehe http://www.balashon.com/2006/06/ pareve.html [10.08.2021]. 4 Der Talmud ist das bedeutendste Werk der rabbinischen Literatur. Er entstand als Weiterentwicklung der ersten großen rabbinischen Rechts- sammlung, der Mischna, in zwei Va- rianten, einmal in Israel (palästini- scher oder Jerusalemer Talmud) und einmal in Babylonien, dem damals persisch regierten heutigen Irak. Der babylonische Talmud, kurz Bavli, ist bis heute im observanten Juden- tum richtungsweisend. Er entstand zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert, wurde aber bis in die Neuzeit kom- mentiert und weiterentwickelt.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
4:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
214
Categories
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