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Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum
in der Kabbala u. a. (wegen seiner roten Farbe) mit der linken Seite Got-
tes9 und dem strengen Gericht in Verbindung gebracht (vgl. Morlok 2014).
In antichristlicher Polemik gegen die Eucharistie konnten die Weinranken
(ha-sarigim) beispielsweise bei Abraham Abulafia (1240–1291/92) mit dem
Prinzen der Magie (Jesus) assoziiert werden.10 Abulafia setzte der Eucharis-
tie und der Trinität seinen eigenen Anspruch, der wahre Messias zu sein,
entgegen (vgl. Morlok 2014, 134–137).
Wein war über die Jahrhunderte ein ökonomisch wichtiges Gut, von dem
auch viele jüdische Landwirte lebten. Dies gilt analog auch für andere alko-
holische Getränke.
5 Die Vielfalt der Speisen
Koschere Ernährung wird nicht selten mit dem Aspekt von gesund und
naturbelassen verbunden, was sicher richtig ist. Manchmal schwingt je-
doch auch mit, dass koscheres Essen vielleicht langweilig sein könnte. Das
Gegenteil ist der Fall. Die jüdische koschere Küche ist so vielfältig wie das
Judentum selbst. Genau genommen gibt es „die“ jüdische Küche überhaupt
nicht. Aber es gibt zweifellos Gemeinsamkeiten innerhalb bestimmter
Gruppen und Richtungen.
Sehr vereinfacht kann man einmal die sefardische von der aschkenasischen
Küche unterscheiden. Sefardische Juden haben ihre Wurzeln auf der iberi-
schen Halbinsel, von wo sie nach der Vertreibung vor allem ins osmanische
Reich, aber auch nach Nordwestafrika, Holland, Frankreich, Italien oder
Amerika emigrierten. Ihre Küche ist stärker vom Orient inspiriert als die
der aschkenasischen Juden. Deren Wurzeln liegen in Mitteleuropa, von wo
aus sie nach Osteuropa und später auch nach Amerika, Südafrika und Aus-
tralien, nicht zuletzt aufgrund von Pogromen und Vertreibungen, weiter-
wanderten. Sie machen heute etwa 70 Prozent des Judentums aus. Die Kü-
che ist stärker mittel- und osteuropäisch. Von den Sefardim unterscheidet
man vor allem in Israel die aus dem maghrebinischen Raum stammenden
Juden, die Misrachim, deren Herkunft sich ebenfalls in der Küche wider-
spiegelt. Besondere Gerichte haben auch die äthiopischen Juden. Hier ist
nicht zuletzt eine besondere Form des Butterschmalzes, Ghee, populär. Im
Internet findet man eine Vielzahl an den unterschiedlichsten Rezepten aus
der vielfältigen jüdischen Küche. Viele Produkte haben auch den Weg zu
Nichtjuden gefunden. Manche kaufen in koscheren Läden ein, weil sie die
Qualität schätzen.
9 In der Symbolik der Kabbala ist
das Bild des Weltenbaumes geläufig,
der seine Wurzel im Himmel hat und
sich nach unten ausbreitet. Ebenso
gängig ist das Bild des Körpers. Die
linke Seite des Körpers wie auch des
Baumes ist mit Attributen verbun-
den, die mit Strafe und Gericht in
Verbindung stehen, die rechte Seite
mit solchen, die Barmherzigkeit und
Güte ausdrücken. Letztlich sollen die
Teile in Harmonie zusammenwirken
und münden am Schluss alle in die
Schechina (auch Malchut genannt),
die mit weiblichen Attributen ver-
sehene zehnte Sefira, die das Binde-
glied zur irdischen Welt bildet. Vgl.
grundlegend Idel 1988; Scholem
1973.
10 Wegen des gleichen Zahlenwer-
tes der Worte sar magiah und ha-sa-
rigim (558).
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven