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Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum
sind seit dem frĂĽhen 13. Jahrhundert belegt. Sie begegnen vor allem auf
Steinreliefs und Skulpturen an vielen Kirchen. Manche davon sind noch
heute zu sehen. Daneben findet man dieses Bildmotiv seit dem 15. Jahr-
hundert in Form einer Karikatur eines Typus in Flugschriften und anderen
Medien. Schon im 19. Jahrhundert sind „Judensau“ und „Judenschwein“
gängige Schimpfworte in der Literatur. Die Nationalsozialisten griffen dies
auf und verwendeten vor allem die Abwandlung „Saujude“ als Hetzparole
zur Verleumdung, DemĂĽtigung und Bedrohung. Wer den Ausdruck heute
gegenüber Menschen benutzt oder öffentlich über sie äußert, macht sich
in Deutschland (§ 185 Strafgesetzbuch), Österreich (§ 115 österreichisches
Strafgesetzbuch) und der Schweiz wegen Beleidigung strafbar. In beson-
ders schweren Fällen kommt in Deutschland auch eine Strafe wegen Volks-
verhetzung (§ 130) in Betracht.
Die bösartigen Karikaturen haben auch heute wieder Konjunktur, vor allem
in muslimischen Ländern, insbesondere – aber nicht nur – im Iran. Hier
werden Juden u. a. als Schweine und Affen diffamiert.13
8 Essen und Trinken, Sexualität und Reinheitsvorschriften
Die Speisegebote sind nicht isoliert zu betrachten, sondern Teil eines um-
fassenden Konzepts von Reinheit und Heiligkeit. Sie betreffen Geist und
Körper. Essen und Trinken wird schon in der biblischen (man denke nur
an das Hohelied) und auch in der rabbinischen Tradition des Ă–fteren sinn-
bildlich fĂĽr den Geschlechtsverkehr verwendet (vgl. u. a. Boyarin 1993 und
2009; Satlow 1995; Weingarten 2010).
Der Bereich der Sexualität ist wiederum eng mit Reinheitsvorschriften
verknĂĽpft. Ejakulat und Menstruationsblut (Nidda) bewirken genauso Un-
reinheit wie Geschlechtskrankheiten (vgl. Lev 15). Gegenstände, Kleider
und Räume können Unreinheit annehmen. Sie bedürfen der rituellen Rei-
nigung. Daher ist bis heute der Besuch des Tauchbades (Miqwe) nach dem
Ende der Menstruation wichtig. In besonders observanten Gemeinschaften
tauchen auch Männer vor dem Schabbat und dem Festtag Jom Kippur in der
Miqwe unter. Auch Geschirr, das Unreinheit angenommen hat, muss ge-
13 Ein Blick ins Internet fördert
hier recht schnell einige grauslige
Exemplare zutage. Seit 2006 gibt es
einen von einer iranischen Zeitung
ausgeschriebenen (antiisraelischen /
antisemitischen) Cartoon-Wettbe-
werb. Polemische Attacken gegen das Judentum
richten sich auch gegen die Speisegebote.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven