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Claudia D. Bergmann | Allein am Tisch?
Eine weitere Variante der Idee vom gemeinschaftlichen Mahl in der Kom-
menden Welt findet sich auch im Testament des Levi. Diese Schrift ist einer
der ältesten Teile der „Testamente der zwölf Patriarchen“, weist in ihrer
jetzigen Form starke christliche Bearbeitungsspuren auf und ist wohl vor
200 u. Z., vielleicht sogar schon im hellenistischen Millieu im 2. Jahrhun-
dert v. u. Z. (so u. a. Becker 1974, 27), entstanden (TestLev 18,10-14):
„10 Und er (Gott) wird die Tore des Paradieses öffnen und wird das ge-
gen Adam drohende Schwert entfernen. 11 Und er wird den Heiligen vom
Baum des Lebens zu essen geben, und der Geist der Heiligung wird auf
ihnen ruhen. 12 Und Beliar wird von ihm gebunden werden, und er wird
seinen Kindern Macht geben, auf die bösen Geister zu treten. 13 Und der
Herr wird sich über seine Kinder freuen und wird an seinen Geliebten
Gefallen haben bis in Ewigkeit. 14 Dann werden auch Abraham und Isaak
und Jakob jubeln, und auch ich werde mich freuen, und alle Heiligen
werden sich mit Jubel bekleiden“ (Becker 1974, 61).
Ähnlich wie im oben zitierten Text 1 Hen 25 ist den Gerechten der Zugang
zum Paradiesgarten und zum Baum des Lebens nun wieder möglich. Aller-
dings wird nur davon gesprochen, dass das drohende Schwert durch Gott
entfernt wird und Gott den Ausgewählten zu essen gibt, ob sie das Paradies
selbst betreten, ist nicht klar gesagt. Auch ist es Gott, der das Böse besiegt,
was die Menschen in diesem Text noch einmal mehr zu den Empfangen-
den der göttlichen Taten macht und nicht zu selbstständig Handelnden. Die
idealisierte Urzeit, die mit dem Aussperren der Menschen von Paradies und
Baum geendet hatte, ist nun, wie in 1 Hen 25, in der Endzeit wiedererstan-
den, vom Tempelberg ist allerdings nicht die Rede. Wieder wird aber von
Freude gesprochen, von Mahlgemeinschaft der Heiligen und Kinder Got-
tes, die sich diesmal in Gegenwart der Ahnen befinden: Abraham, Isaak und
Jakob. Diese drei Vorväter sind für die jüdische Identität besonders wichtig,
weshalb es sicherlich auch kein Zufall ist, dass sie hier miterwähnt sind.
Deutlich und gedanklich farbenfroh berichtet des Weiteren eine Passage
aus den sogenannten Sibyllinischen Weissagungen, einer Schrift, die ab
dem zweiten Jahrhundert u. Z. in christlichen Predigten bezeugt ist, aber
wahrscheinlich wesentlich ältere und auch jüdische Wurzeln hat. Das hier
zitierte siebente Buch gibt keine klaren Hinweise auf seine Entstehungs-
zeit, jüdisches, gnostisches und christliches Gedankengut vermischen sich
in den verschiedenen Entstehungs- und Redaktionsstufen, die nicht mehr
klar voneinander zu trennen sind (Sib 7,145–152):
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven