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Claudia D. Bergmann | Allein am Tisch?
rem Gesäuertem im Freien im Lockdown auch durch das Hinunterspülen
eines kleinen Teils desselben in der Toilette ersetzt werden könne.
Eine weitere Idee, die das gemeinsame Mahlhalten möglich machen soll-
te, waren Videokonferenzen zu Pessach und anderen religiösen Festen, die
sowohl die offizielle Liturgie in der Synagoge als auch die private Feier in
den Bereich des Virtuellen verlegten. Da die Nutzung von elektronischen
Geräten und jeglicher Technologie an Feiertagen aus religiösen Gründen
jedoch im Judentum nicht immer gestattet ist, wurde diese innovative
Idee innerhalb der verschiedenen religösen Gruppen intensiv diskutiert,
es begann die sogenannte „Pessach-Zoom-Debatte“, die mit einer Ver-
lautbarung von 14 sephardischen orthodoxen Rabbinern aus Israel, die
der Association of Rabbis of the Maghreb in Israel angehören, begann. Diese
erlaubten im Frühjahr 2020, dass Sederfeiern zu Pessach per Videokonfe-
renz durchgeführt werden konnten, um die Isolation der älteren Genera-
tion aufzuheben, um die Jugend an das Fest heranzuführen und um dem
Gebot, die Seder zu Pessach zu feiern, nachzukommen. Diese Erlaubnis sei
jedoch einmalig und nur der Pandemie geschuldet, betonte man in einem
offenen Brief. Diese Entscheidung rief sofortigen Widerstand innerhalb der
orthodoxen jüdischen Gemeinschaft hervor. So äußerte sich der Oberrab-
biner von Safed, Rabbi Shmuel Eliyahu, seine Kollegen hätten mit dieser
Entscheidung einen grundlegenden Fehler gemacht (siehe Sharon 2020).
Zwei respektierte israelische Oberrabiner, David Lau und Yitzhak Yosef,
wandten sich ebenfalls gegen die Nutzung jeglicher Technologie, auch im
Falle dieser weltweiten Krise.
In einem Versuch zur Vermittlung innerhalb dieser Debatte empfahl Rabbi
Yosef Tzvi Rimon aus Alon Shvut, einige rituelle Teile der Sederfeier schon
vor Sonnenuntergang mit den überall verteilten Familienmitgliedern zu
feiern, ab dem Sonnenuntergang dann aber auf elektronische Geräte zu
verzichten. Eine weitere Möglichkeit, den direkten Kontakt mit elektri-
schen Geräten zu vermeiden, aber trotzdem virtuell miteinander feiern zu
können, war, Zoom oder ein ähnliches Programm schon vor dem Feier-
tag einzuschalten oder ein solches nur mit der Stimme, aber nicht mit den
Händen zu aktivieren (siehe Rabbinical Assembly 2020). Dass der Kontakt
zu Familienmitgliedern vor allem an den hohen Feiertagen Leben retten
und bewahren kann, vor allem bei den Menschen, die aufgrund psychischer
Probleme besonders unter der Isolation während der Pandemie leiden, war
Die „Pessach-Zoom-Debatte“
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven