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Agnethe Siquans | âDie Speise des Wortes Gottes essenâ
Mt. 5,8), die einfach in der Seele (vgl. Gen. 20,6 u.ö.), die untadelig im
Leben, die frei im Gewissen sind, ihnen kommt es zu, das Wort da rĂŒber
zu hören, ihnen können diese Mysterien erklĂ€rt werden. âEuch nĂ€mlich
ist gegeben,â heiĂt es, âdie Mysterien des Reiches Gottes zu kennen, jenen
aberâ (Mt. 13,11) das heiĂt denen, die es nicht verdienen, die nicht so sind,
dass sie es verdienen, und nicht aufnahmefÀhig sein können zum Ver-
stehen der Geheimnisse, jenen kann dieses priesterliche Brot nicht gege-
ben werden, das das geheime und mystische Wort ist, sondern das Wort
in Gleichnissen, das fĂŒr das gewöhnliche Volk (vgl. Mt. 13,13).â (in Lev.
hom. 13,6)
Das geistige VerstÀndnis des Wortes Gottes ist nicht allen zugÀnglich. Es
liegt auch nicht einfach offen zutage. Wiederum spricht Origenes hier von
Mysterien. Voraussetzung fĂŒr deren Erkenntnis ist erstens ein entspre-
chender Lebenswandel ohne SĂŒnde und zweitens eine intensive BeschĂ€fti-
gung und Kenntnis des Wortes Gottes als Lehre Christi. Ethische und spiri-
tuelle Ebene sind also eng miteinander verknĂŒpft. Brot gibt es fĂŒr alle, aber
das besondere Brot aus Feinmehl, das den Priestern vorbehalten ist, erhal-
ten nicht alle. Obwohl Origenes ein kirchliches Priesteramt kennt, schreibt
er mit 1 Petr 2,9 priesterliche Aufgaben und Privilegien allen christlichen
GlĂ€ubigen zu (vgl. SchĂ€fer 1977, 45â53). Dazu gehört auch das Lesen und
Verstehen der Schrift.
Dreierlei Speise auf dem spirituellen Weg
Origenes unterscheidet drei Gruppen von Adressat/inn/en je nach spiritu-
ellem Fortschritt (vgl. De principiis IV 2,4; Torjesen 1986, 39â42). Es gibt
AnfÀnger/innen, etwas weiter Fortgeschrittene, die aber noch schwach
sind, und die Vollkommenen. FĂŒr sie alle gibt es unterschiedliche Arten von
Speise: Milch, GemĂŒse oder Fleisch. Das Fleisch bezeichnet auch hier den
geistigen Sinn. Die genannten Speisen entnimmt er verschiedenen Stellen
bei Paulus und aus dem HebrÀerbrief, wo sich die Parallele von Speise und
Lehre bereits findet.
âSchon oft haben wir gesagt, dass das Fleisch in den Schriften die feste
Speise und die vollkommene Lehre anzeigt. Denn ich weiĂ, dass gemĂ€Ă
den Schriften eine Speise der Seele Milch, eine andere Speise der Seele
GemĂŒse und eine andere Fleisch ist, so wie der Apostel selbst ĂŒber man-
che Menschen sagt: âIch gab euch Milch zu trinken, nicht Speise. Denn ihr
vertrugt sie noch nicht, doch auch jetzt vertragt ihr sie noch nicht. Denn
bis jetzt seid ihr fleischlichâ (1 Kor. 3,2f.); und desgleichen sagt er anders-
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven