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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
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Page - 145 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2

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143 | www.limina-graz.eu Dilek Bozkaya und Alfred Garcia Sobreira-Majer | Interreligiöses Lernen am Buffet same Essen im Vordergrund, sondern vielmehr das Teilen untereinander und dies unter der Prämisse der Gleichheit, Gerechtigkeit und der Reinheit des Essens. Der letzte Punkt bezieht sich auf die sogenannte Helal-Spei- se. Im Alevitentum ist hierbei nicht die Art der Schächtung mit dem Wort „Helal“ verbunden. Es geht vielmehr darum, ob die Zutaten dieser Speise ehrlich erworben wurden oder nicht. Janina Karolewski erklärt dies in ihrer Arbeit mit der Legende des großen alevitischen Mystikers und Dichters Pir Sultan Abdal.2 „Als Hızır Paşa, der Gouverneur von Sivas, den Dichter Pir Sultan zum Essen einlädt, lehnt dieser die Speisen ab. Hızır Paşa erkundigt sich er- staunt nach dem Grund. Pir Sultan sagt, die Speisen seien ‚unrein‘, die Tafel errichtet auf den Ungerechtigkeiten des Paşa. Woher er dies wissen wolle, fragt Hızır Paşa nun. Pir Sultan erwidert, dies wüssten gar sei- ne beiden Hunde. Der erzürnte Hızır Paşa fordert Pir Sultan auf, seine Hunde herbeizuholen und lässt ihnen zwei Speisen vorsetzen. Eine aus denselben Zutaten, wie die für Pir Sultan, die andere aus ‚reinen‘ Zuta- ten. Die Hunde kommen, riechen an den Speisen und fressen die ‚reine‘. (Nacherzählt von Ahmet Doğanbaş, 2011)“ (Karolewski 2012, 236) Alevit:innen vergleichen seit jeher unrecht Gewonnenes mit der Tafel des Hızır Paşa und beziehen sich so auch indirekt auf die drei Signacula, welche die Hauptregeln des Alevitentums darstellen, um die Harmonie innerhalb der Gemeinschaft zu sichern: „In unserem Weg muss die Person (‚kisi‘) seine [sic] Hände, seine [sic] Zunge und seine [sic] Lende beherrschen. Diese drei Siegel (‚mühür‘) bewahren die Person vor Bösem. Wenn ein Frommer (‚sofu‘) diese [drei Triebe] nicht zügeln kann (‚gem vuramazsa‘), kann er kein Frommer (‚sofu‘) werden. Weder kann die Gemeinschaft mit ihm noch er mit der Gemeinschaft einverstanden sein (‚razı olmak‘).“ (Bozkurt 2006, 156– 157) Diese drei Signacula gelten natürlich für alle Angehörigen des alevitischen Glaubens. Hier sind weder das Geschlecht noch die religiöse Position, ob Ad- ept oder Meister3, relevant. Dasselbe Gebot des reinen Essens wird auch in der Lehre der „4 Tore und 40 Stufen“ (Güzelmansur 2012, 61) erklärt. Die- ses Wertesystem und die ethisch-moralische Maxime, Hände, Lende und Drei Signacula, um die Harmonie innerhalb der Gemeinschaft zu sichern 2 Pir Sultan Abdal lebte im 15. Jahrhundert und gehört zu den be- deutendsten Dichtern des Aleviten- tums. Der in der Legende erwähnte Hızır Paşa war einst sein Jünger. Als dieser jedoch nach Istanbul zog und dort am Hofe des Sultans diente, wurde er mit der Zeit zum Paşa er- nannt. Hızır Paşa regierte als Tyrann und war für seine Ungerechtigkeiten bekannt. Er war auch derjenige, der Pir Sultan Abdal wegen seiner Unbeugsamkeit und seines Wider- stands erhängt hat (vgl. Schimmel 2014, 182–183). 3 Mit dem Meister werden religiö- se Wegweiser, wie ein Dede oder ein Pir, bezeichnet, welche direkte Nachkommen des Propheten Mu- hammed und Bewohner seines Hauses („Ehl-i Beyt“, wörtlich: die Leute des Hauses des Propheten) sein müssen (vgl. Langer 2008, 70).
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
4:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
214
Categories
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