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Isabelle Jonveaux | Transfers des Fastens
popularisierte. Es geht dabei darum, keine festen Nahrungsmittel zu sich
zu nehmen, sondern nur Flüssigkeit in Form von Tee, Fastensuppe und
Obst- oder Gemüsesaft. Buchinger selbst beklagte das Verschwinden des
Fastens in der Kirche und wollte es wiederentdecken, ohne den Anspruch,
etwas radikal Neues zu erfinden:
„Ist nicht unsere Kirche die eigentliche Hüterin des echten heiligen Fas-
tens, welches auch das Heilende in sich schließt? Sie hat es jedoch in der
Flucht und Wucht der schweren letzten Jahrhunderte vergessen.“ (Buch-
inger 1963, 12)
Laut Buchinger wirkt diese Form des Fastens ganzheitlich, für Körper,
Geist und Seele. Die spirituelle Dimension ist ein integraler Bestandteil die-
ses Ansatzes, was sich in der Verwendung der Silbe „heil-“ widerspiegelt.
„- Curare: heilen, kurieren, aber auch Fürsorgen, bemühen (Heilen)
- Integer: ganz, voll, unversehrt, unverletzt (Ganzheitlichkeit)
- Sanctus: heilig, geweiht (religiöser Aspekt, Glaube)
- Salus: Gesundheit, Wohl(fahrt), Heil, Rettung (seelisch-geistiger As-
pekt)“ (Buchinger/Lindner 2004, 27)
Der Gedanke des religiösen Heils in der Erlösung der Seele ist also nach
dem Gründer des Heilfastens ausdrücklich vorhanden. Auch wenn einige
Menschen dieser Art des Fastens folgen, um ihr Gewicht zu kontrollieren,
beschränkte sich die im Rahmen meiner Forschungen durchgeführte Um-
frage auf Fastenpraktiken nach Buchinger-Lützner, die die spirituelle Di-
mension einschließen.
Kontinuität und Diskontinuität im Vergleich mit dem klösterlichen Fasten
Es handelt sich hier um einen Transfer des Fastens von einem sozialen Feld
in ein anderes. Sozialtransfers gehen ebenso wie Kulturtransfers (von einer
Kultur in eine andere) nicht ohne Transformation vor sich:
„Jeder Übergang eines kulturellen Objekts von einem Kontext in einen
anderen führt zu einer Transformation seiner Bedeutung, einer Dynamik
der Resemantisierung, die nur unter Berücksichtigung der historischen
Vektoren des Übergangs vollständig erkannt werden kann.“ (Espagne
2013, 1; Übersetzung: I. J.)8
8 Im Original: „Tout passage d’un
objet culturel d’un contexte dans un
autre a pour conséquence une trans-
formation de son sens, une dyna-
mique de resémantisation, qu’on ne
peut pleinement reconnaître qu’en
tenant compte des vecteurs histori-
ques du passage.“
Fasten für Körper, Geist und Seele
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven