Page - 12 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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12â â Christian Benne
eine kindliche Reaktion. Aber selbst ein Kind, zumal ein aufgewecktes, wĂŒrde
sofort beginnen, weitergehende Frage zu stellen. Warum sind Kuh und Kalb in
der Mitte durchgesÀgt? Können sie wieder lebendig werden? Wer hat sie herge-
bracht? Es gibt keinen notwendigen Zusammenfall zwischen den Intentionen,
die zur Sammlung fĂŒhrten, und dem Umgang mit ihnen.
Diese beliebigen Beispiele sollen eine Reihe von Grundproblemen offenlegen,
die hinter der Frage nach den Logiken der Sammlung stehen. Ausgehend von der
oben zitierten Wörterbuchdefinition könnte man sagen, die Logik der Sammlung
ist entweder eine Epistemo-Logik, d. h. eine Logik der âgesichtspunkteâ, unter
denen die Sammlung zustandekam, oder eine Onto-Logik, d. h. eine Logik der
âgegenstĂ€ndeâ selbst. Im ersten Fall interessiere ich mich fĂŒr die Bedingungen
der Möglichkeit der Sammlung, im zweiten fĂŒr die Einheiten, aus denen sie
besteht, vielleicht sogar fĂŒr die BezĂŒge, die sie ausbilden. Es besteht also ein
wesentlicher Unterschied darin, ob ich den Bestimmungsgrund der Sammlung
vornehmlich vom Subjekt bzw. Urheber der Sammlung oder aber von den Objek-
ten bzw. ihrer Eigenlogik ableite. Es sollte auf der Hand liegen, dass beide Seiten
berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen, um der KomplexitĂ€t von Sammlungen gerecht zu
werden. In der Praxis ist dies aber meistens nicht der Fall; hier wie auf anderen
Gebieten auch herrscht geradezu ein Schisma zwischen epistemologischen und
ontologischen Orientierungen. Ich möchte deshalb mit einer Theorie der âGegen-
stĂ€ndlichkeitâ eine Alternative anbieten, die von der dialektischen VerschrĂ€n-
kung epistemologischer, ontologischer und (im weitesten Sinne) pragmatischer
Perspektiven ausgeht. Ich interessiere mich dafĂŒr, wie die Logiken der Sammlun-
gen in der Bestimmung ihrer GegenstÀnde zusammenfallen. Es reicht nicht aus,
eine Kuh als Gegenstand zu identifizieren, ohne nach den Praktiken zu fragen, die
sie als Sammlungsgegenstand legitimieren oder ausschlieĂen. Umgekehrt reicht
die Vertrautheit mit den Praktiken nicht aus, um die Aufnahme einer Kuh (und
nicht etwa eines anderen SĂ€ugetiers) in die jeweilige Sammlung zu verstehen.
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Kritik des vortheoretischen Sammelns als Metaphysikkritik
Der Landwirt, der von Milchwirtschaft lebt, wird sich den eingangs gestellten
Fragen eher selten ausgesetzt sehen. Die Bedingungen der Möglichkeit von, sagen
wir, âKuhheitâ lassen die JungbĂ€uerin aus nachvollziehbaren GrĂŒnden kalt. Es
gibt Bereiche, in denen eine klare und eindeutige Trennung der SphĂ€ren â Land-
wirt hier, Kreatur da â nicht nur ausreichend, sondern den AblĂ€ufen, um die es
geht, angemessen ist. Auf dem Gebiet der Sammlungen wÀre an Briefmarken-
oder Bierdeckelsammlungen zu denken, bei denen weder die Bestimmung des
Sammlersubjekts noch des Sammlerobjekts unĂŒberwindliche Herausforderun-
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik