Page - 18 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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18â â Christian Benne
Denkens wird dagegen ausgeblendet. Hauptgegner ist der sog. Korrelationismus,
der seit Kant angeblich die einzige Alternative zum metaphysischen Realismus
blieb, nĂ€mlich die Auffassung, dass âwir Zugang nur zu einer Korrelation von
Denken und Sein habenâ nie aber nur zu einer der beiden Seiten. Der spekulative
Realismus möchte hinter Kant und gleichzeitig ĂŒber ihn hinausgehen, um Sub-
jektivitÀt und ObjektivitÀt wieder getrennt zu behandeln, die Substanz wieder
selbst zu denken, nicht aber die Korrelation (vgl. Meillassoux 2014, 18).
Eine grundlegende Paradoxie der Objektorientierten Ontologie besteht in
dem auf der einen Seite formulierten Zentralprinzip, dass die Dinge nie direkt
zugÀnglich seien (z. B. Harman 2018, 7), und dem Anspruch, sich philosophisch
ĂŒber die Vermittlungen hinwegsetzen zu können, von der sie doch schon allein in
der sprachlichen Darstellung der eigenen Theorie so augenfÀllig abhÀngt. Doch
sind zwischen den vier Grundformen, die sich aus der Kombination von Metaphy-
sik und Realismus ergeben, Mischformen und WidersprĂŒchlichkeiten in konkre-
ten FĂ€llen nicht unĂŒblich, vielleicht sogar die Regel.
Ein gutes Beispiel dafĂŒr sind die Debatten um den Begriff der MaterialitĂ€t,
die auch fĂŒr die Logiken der Sammlung relevant sind. Es ist hier nicht der Ort,
den MaterialitÀtsbegriff umfassend aufzuarbeiten, ohnehin ist UnschÀrfe seine
gröĂte SchwĂ€che.7 Gleichwohl lĂ€sst sich bei ihm eine begriffliche Spaltung fest-
stellen, die letztlich der eingangs zitierten Spaltung der Sammlung in âGesichts-
punkteâ und âGegenstĂ€ndeâ entspricht. In der poststrukturalistischen Theorie
bezieht sich âMaterialitĂ€tâ in erster Linie auf die Unendlichkeit des Zeichenspiels
und der zirkulierenden Diskurse, die jeden Versuch, der Welt habhaft zu werden,
verunmöglichen. Die Einbettung der Zeichenprozesse in âmaterielleâ soziale Ver-
hÀltnisse soll zudem jeder neoidealistischen Flucht in die reine Abstraktion einen
Riegel vorschieben. Die Frage ist freilich, ob dies nicht selber Ausdruck einer rein
theoretischen und damit idealistischen Konstruktion ist. In jĂŒngster Zeit ist der
MaterialitÀtsbegriff des Poststrukturalismus denn auch vor allem aus der Pers-
pektive der Objektorientierten Ontologie kritisiert worden:
Materialism has come to mean simply that something is historical, socially constructed,
involves cultural practices, and is contingent. It has nothing to do with processes that take
place in the heart of stars, suffering from cancer, or transforming fossil fuels into green-
house gases. We wonder where the materialism in materialism is. (Bryant 2014, 2)
7â
Zur Breite des MaterialitĂ€tsbegriffs vgl. Samida et al. (2014), Scholz und Vedder (2018), MĂŒller-
Wille (2017, 17â33); zur Kritik am MaterialitĂ€tsbegriff Benne (2015).
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik