Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Page - 22 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 22 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik

Image of the Page - 22 -

Image of the Page - 22 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik

Text of the Page - 22 -

22    Christian Benne phänomenologischen Perspektiven zusammenzudenken. Heideggers Fundamen- talontologie überschattete sie in der Nachkriegszeit. Die jüngste Hinwendung zum Realismus bietet die Chance, sie wiederzuentdecken und weiterzuentwickeln. Ins Zentrum dieser Wiederentdeckung möchte ich den deutsch-österreichi- schen Meinong-Schüler Richard Hönigswald (1875–1947) stellen, an dessen Ver- treibung und Vergessen Heidegger selbst aktiven Anteil hatte und der von der Fachphilosophie heute bis auf wenige Ausnahmen ignoriert wird.11 Bei dem naturwissenschaftlich, ontologisch und phänomenologisch geschul- ten Kantianer Hönigswald wird der Gegenstand unabhängig vom Subjekt gedacht, das als (historisch veränderliche) „Monas“ in der Erlebnisrelation zu ihm gleich- wohl konstitutiv für ihn ist. Die Monas agiert zugleich unter der Bedingung der Selbstpräsenz (ist sich selbst Gegenstand). „Gegenständlichkeit“ ist bei Hönigs- wald Bedingung dafür, dass sich ein (individuelles oder kollektives) Ich über- haupt auf einen Gegenstand richten kann. Sie enthält deshalb auch immer das sich dem Zugriff Entziehende, das Entgegenstehende seiner Eigenlogik. Da zur Gegenständlichkeit auch die Bedingungen seiner Möglichkeit sowie die Erlebnis- relationen gehören, die in sich selbst historisch-kulturell veränderlich sind, werden Praktiken der Identifizierung und Aneignung der verschiedenen Arten von Gegenständen zu seinem Apriori. Gleichzeitig wird die Gegenständlichkeit als ausgehend vom Gegenstand selbst gedacht, der, in heutiger Terminologie, Affordanzen bietet, denen womöglich noch keine existierenden Praktiken ent- sprechen, derer sich aber ältere Praktiken modifizierend annehmen können oder aus denen ganz neue Praktiken entstehen mögen. ‚Gegenständlichkeit‘ enthält damit sowohl die Reflexion und Bestimmung der Gegenstände, ausgehend von ihnen selbst, wie auch ihre Wirkungen. Dass uns die Gegenstände in der Erlebnisrelation vermittelt entgegentreten (ohne schlicht von uns konstruiert zu sein), stellt keineswegs ihre Eigenlogik infrage. Vielmehr geht es in der Philosophie der Gegenständlichkeit ja gerade um die Frage, inwieweit unser Erleben oder unsere Bestimmungen von ihnen beeinflusst sind. Hinter dem Erleben verbirgt sich keine Neuauflage des Psychologismus, sondern die Anerkennung der Präsenz als Vollzug des Erlebens, die ein Teil der Beziehung zwischen Gegenstand und Monas ist.12 11  In der Heidegger-Nachfolge taucht Hönigswald trotz der Appropriation seines Zentralbegrif- fes bis heute nicht auf (vgl. Figal 2006). Seit den 1990er-Jahren setzte eine vorsichtige Wiederent- deckung Hönigswalds ein (vgl. z. B. Schmied-Kowarzik 1997), die freilich von der gleichzeitig einsetzenden Renaissance der Philosophie Ernst Cassirers überflügelt wurde. 12  Siehe insbesondere Hönigswald (1997). Aufgegriffen und für literaturtheoretische Fragestel- lungen weiterentwickelt in Benne (2015).
back to the  book Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik"
Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Title
Logiken der Sammlung
Subtitle
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Authors
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
202
Keywords
Archiv, Nachlassinventar
Categories
Weiteres Belletristik
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Logiken der Sammlung