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Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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34    Moritz Baßler 4 Im Zusammenhang eines solchen archivimmanenten Strukturalismus ist das Archiv vor allem die Antwort auf die Frage nach der Analysierbarkeit von kultu- rellen Äquivalenz- und KontiguitĂ€tsbeziehungen. Das Archiv einer Kultur als Korpus der aus ihr ĂŒberlieferten Texte beantwortet – wenn Sie so wollen – eine Wo-Frage: Wo sind sie, die Diskurse, die kulturellen Paradigmen, wo ist der semi- otische Hintergrund einer Kultur, und zwar materialiter, d. h. sofern sie sich ana- lysieren lassen? Weder Foucaults historisches Apriori mit seinem, wie Groys spottet, ortlosen und immateriellen TrĂ€ger noch etwa Ecos Konzept einer Enzyklo pĂ€die nach dem Quillianschen Modell Q (vgl. Eco 1994, 123–127) beantworten diese Frage nach der MaterialitĂ€t des Paradigmas zufriedenstellend, geschweige denn Luhmanns dynamisches System, das niemals als Struktur analysierbar wird, weil es nicht stillhalten kann. Und Derridas Archiv enthĂ€lt bereits Propositionen, sozusagen verstandene SĂ€tze, und setzt damit implizit bereits hermeneutische Operationen voraus, deren Bedingung das Archiv m. E. allererst wĂ€re. Das Archiv, wie es hier entworfen wird, enthĂ€lt dagegen die Sequenzen einer Kultur ebenso wie deren mögliche Paradigmen. Jeder Einzeltext wird lesbar im Vergleich mit einem Vorrat Ă€quivalenter Möglichkeiten. Analytisch sind diese Möglichkeiten nun aber, wie gesagt, nicht in systemisch-regelhafter Form, sondern allein als Okkurrenzen in positiv vorhandenen Vergleichstexten dessel- ben Archivs zu fassen. Man ahnt, wozu man hier Computer brauchen wird: zur bloßen QuantitĂ€ts- und KomplexitĂ€tsbewĂ€ltigung. Und damit komme ich zur Frage der Analysierbarkeit von Selektion als neben der Kombination wichtigster Operation kultureller Poiesis. In einem strukturalis- tisch informierten Begriff von TextualitĂ€t ist Selektion immer schon impliziert. Jakobson nennt bekanntlich die paradigmatische Achse des Textes auch ‚Achse der Selektion‘. Das ist freilich immer noch produktionsĂ€sthetisch und ĂŒberdies in einem langue/parole-Modell gedacht, noch nicht von einer MaterialitĂ€t des Para- digmas aus, wie sie die Kulturpoetik entwirft. Analytisch gewendet, bezeichnet die Jakobson’sche Selektion denn auch nichts anderes als die Semantisierung von Objekten (Sequenzen, Textstellen) qua Vergleich mit Ă€quivalenten Objekten (Sequenzen, Textstellen). Ein Paradigma ist demnach eine Äquivalenzstruktur im Archiv, d. h. im Korpus der Texte, die man auf vergleichbare Stellen hin durch- sucht. Die Sammlung dieser Äquivalenzstellen bezeichnet als eine Art kulturelle Topik die Möglichkeiten dessen, was in einer Kultur anstelle des im manifesten Text Vorgefundenen auch noch sagbar war oder gewesen wĂ€re. Und die Grenzen dieser Operation werden – wie gesagt – definiert durch die materialen Gegeben- heiten des Archivs.
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Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Title
Logiken der Sammlung
Subtitle
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Authors
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
202
Keywords
Archiv, Nachlassinventar
Categories
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