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Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Page - 38 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik

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38    Moritz Baßler manden stört, oder Dinge wie die Bunker des Zweiten Weltkriegs, deren Zerstö- rung einfach zu teuer ist. Selbst in aestheticis scheint mir, eher als Museums- politik, der Fall der grottenhĂ€sslichen Badezimmerkacheln und Deckenlampen paradigmatisch, die wir beim Einzug in die Altbauwohnung selbstverstĂ€ndlich als Erstes hinauswerfen. Manchmal beschleicht einen dabei kurzzeitig das GefĂŒhl, die Enkel oder Urenkel könnten einen einst dafĂŒr verdammen. Ins Archiv gelangt dagegen, was auch jenseits seines Gebrauchswertes mit KontiguitĂ€ts- und Äquivalenzrelationen versehen bleibt, sprich: was vertextet wird. Dazu eignet sich insbesondere auch die Literatur, die schon Gadamer defi- niert als „Texte, die nicht verschwinden“, die vielmehr „im ursprĂŒnglichen und eigentlichen Sinne Texte sind“, weil sie nicht im Verstandenwerden sub specie communicationis, sondern erst im wiederholten ZurĂŒckkommen auf sie „eigent- lich da“ (Gadamer 1984, 46) sind. Womit diese Überlegungen beinahe mit einer Tautologie enden: denn als Text hatten wir ja definiert, was erstens als Objekt (noch) vorhanden und zweitens lesbar ist. Lesbarkeit aber bedeutet Semantisie- rung im Bezug auf ein Vergleichsarchiv und also – siehe Baecker – die Poiesis von Kultur. Kulturwissenschaftliche Analyse als literaturwissenschaftliche Praxis wĂ€re demnach als Archivanalyse im Modus der TextualitĂ€t zu konzipieren. Einfa- cher, meine ich, sind kulturelle Kontexte analytisch nicht zu haben. In Literatur zur Theorie des Archivs stĂ¶ĂŸt man nicht selten auf kritisch-pessi- mistische, ja apokalyptische Untertöne. Derrida etwa klagt: selbst in dem, was die Archivierung ermöglicht und bedingt, werden wir niemals etwas anderes finden als das, was der Destruktion aussetzt und wahrlich mit Destruktion bedroht, indem es a priori das Vergessen und das Archiviolithische in das Herz (coeur) des Monu- mentes einfĂŒhrt. (Derrida 1997, 26) DemgegenĂŒber könnte unser pragmatischer Archivbegriff entdramatisierend wirken. Auch er betont zwar die Zerstörbarkeit der Archive, aber damit ist höchst unmetaphorisch die materielle Zerstörbarkeit der DatentrĂ€ger gemeint. Solange Texte aber in einem intakten Archiv aufbewahrt sind, können sie jederzeit wieder zum materiellen Ausgangspunkt der Analyse werden, und sei es einer Analyse des Vergessens. „Potentielle AktualitĂ€t“, sagt Wolfgang Ernst, „ist der Aggregat- zustand, in dem die Archivdaten verharren – eine Lage radikaler Latenz“ (Ernst 2002, 122). Sie sind prinzipiell verfĂŒgbar, selbst wenn sie lange nicht oder ĂŒber- haupt noch nie gelesen wurden. FĂŒrchtet euch nicht, könnten sie sagen, wir sind alle noch hier.
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Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Title
Logiken der Sammlung
Subtitle
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Authors
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
202
Keywords
Archiv, Nachlassinventar
Categories
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