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Mario Huber
Der eine kommt ins Archiv, der andere
kommt nicht ins Archiv
Praxeologische Überlegungen zum „Begriff“ des Kabaretts und
zu den Sammlungen des Österreichischen Kabarettarchivs
Das Österreichische Kabarettarchiv (ÖKA; Abb. 1 und 2) in Graz hat es sich zur
Aufgabe gemacht, unterschiedliche Formen der Kleinkunst in Österreich zu
dokumentieren.1 Ausgehend von den Sammlungen des ÖKA, mit einem Fokus auf
die letzten 30 Jahre Kabarettgeschichte in Österreich, soll hier ein soziologischer,
speziell praxeologischer Zugang zum Kabarett der Jahrtausendwende gefunden
werden. Dabei stehen Aspekte der Kunstform im Mittelpunkt, die bislang, auch in
Definitionsversuchen, weitestgehend außen vor geblieben sind. Die Erörterung
folgt der grundsätzlichen Beobachtung, die sich auch aus den Archivbeständen
ergibt, dass in der Regel keine Kabarett-Texte veröffentlicht werden. Kabarettis-
tinnen und Kabarettisten treten stattdessen in unterschiedlichsten medialen For-
mationen abseits des Kabaretts in Erscheinung: als Autorinnen und Autoren,
Musikerinnen und Musiker etc. Seit etwa 30 Jahren werden jedoch Aufzeichnun-
gen von Programmen produziert, die auf große Nachfrage stoßen. Kabarett z. B.
nur auf Grund des textuellen Materials definieren zu wollen, greift deshalb zu
kurz; hier wird die These vertreten, dass das Kabarett einen Komplex aus Prakti-
ken und Diskursen darstellt.
Der folgende Text besteht aus drei Teilen: Erstens wird ein kurzer Überblick
über unterschiedliche Definitionsversuche von „Kabarett“ gegeben, um das Feld
und die begrifflichen Ausarbeitungen heuristisch zu fassen. Folgend wird der
praxeologische Zugang erläutert und ein Kategorienkatalog vorgestellt, der die
künstlerischen und ökonomischen Praktiken, die in Zusammenhang mit dem
Kabarett stehen, identifizieren sowie Schlüsse auf die bestimmte Subjektkultur
der Kabarettistin bzw. des Kabarettisten ermöglichen soll. Abschließend wird
anhand ausgewählter Beispiele aus den Sammlungen des ÖKA dieser Zugang
illustriert. Ziel ist nicht, eine neue (normative) Definition zu etablieren oder einen
oder mehrere der vorhandenen Definitionsversuche zu desavouieren. Dieser
noch weiter auszuarbeitende „Entwurf“ soll einen neuen Blick auf das Feld, die
1 Für kritische Durchsicht dieses Beitrages und Kommentare dankt der Verfasser Iris Fink, Alena
Heinritz und Beatrix Müller-Kampel.
Open Access. © 2020 Mario Huber, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter
der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 Lizenz.
https://doi.org/10.1515/9783110696479-006
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik