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Der eine kommt ins Archiv, der andere kommt nicht ins Archiv   
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Hippen spricht hier von einer Mischform; Kathrin Bender schreibt 2008 – dem
Zeitgeist entsprechend – mit sehr ähnlichen Komponenten vom multimedialen
Charakter des Kabaretts (vgl. Bender 2008, 62). In beiden Varianten sollte zu
diesen Merkmalsbündeln, so muss man ergänzen, die wittgensteinsche Familien-
ähnlichkeit als epistemologische Basis mitgedacht werden. Dem historischen
und damit wandelbaren Zugang widmen sich unterschiedliche Texte der Kaba-
rettgeschichtsschreibung, oft mit Fokus auf politische Verfolgung und Zensur. Im
österreichischen Zusammenhang ist hier in erster Linie das umfangreiche Œuvre
von Hans Veigl und Iris Fink (vgl. Veigl 2013; Fink und Veigl 2016) zu nennen.
Dabei wird sowohl auf formale als auch inhaltliche Definitionen weitestgehend
verzichtet. Stattdessen wird eher der soziokulturelle Hintergrund beleuchtet.
Was sich aber für das Kabarett als die üblichere Zugangsweise herausgestellt
hat, ist das Aneinanderreihen von unterschiedlichen Zitaten und Positionen zum
Thema Kabarett, oft von den ausführenden Akteurinnen und Akteuren selbst. So
findet sich auf der Homepage des Deutschen Kabarettarchivs eine Datei mit fast
40 Seiten an Definitionsversuchen, u. a. auch mit solchen von Dieter Hildebrand,
Volker Pispers und Gerhard Polt (vgl. Heil 2017). Jenseits der Frage, ob eine Defi-
nition denn überhaupt sinnvoll sei, steht also ein Bedürfnis der (Selbst-)Beschrei-
bung – also eine bestimmte Praktik der Selbstverortung der Kabarettistinnen und
Kabarettisten. Diskursanalytisch (und auch praxeologisch) interessant ist, dass
aus bestimmten Zeitabschnitten des 20. Jahrhunderts, allen voran der Zeit der
NS-Diktatur, oft mehr Texte darüber, was Kabarett sein soll, nicht sein soll und
darf – oder früher, als alles noch besser war, gewesen ist –, vorhanden sind als
tatsächliche Texte der Ausführenden. Auch die wenigen vorhandenen Nachlässe
sind in diesem Punkt meist nicht sehr aufschlussreich oder harren noch der Auf-
Abb. 2: Österreichisches Kabarettarchiv.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik