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Der eine kommt ins Archiv, der andere kommt nicht ins Archivâ â
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daraus macht â und wofĂŒr sie oder er Zuseherinnen und Zuseher findet. Dies trifft
sich ungefĂ€hr mit Alfred Dorfers fast zirkulĂ€rem Zugang, der meint: â[Das] Kaba-
rett ist kein Begriff, eher eine Marke. Es kulminiert alle unterschiedlichen Stile,
die auf (Kabarett-)BĂŒhnen ihr Zuhause findenâ (Alfred Dorfer, zit. n. Maier und
Potzinger 2015, 40). Mit der âMarkeâ, der kommerziellen Ausrichtung und der
Selbstsituierung innerhalb bestimmter Grenzen, ist ein wesentlicher Aspekt des
Kabaretts getroffen, der von den Akteurinnen und Akteuren (zumindest öffent-
lich) weniger diskutiert wird. In der Folge ist der öffentliche Auftritt auf einer â
nicht nĂ€her bestimmbaren â BĂŒhne konstitutiv sowie ein SelbstverstĂ€ndnis als
Kabarettistin oder als Kabarettist. Damit rĂŒcken einerseits die verschiedenen
sozialen Praktiken als vergesellschaftete, eingespielte Handlungsroutinen, die
regelmĂ€Ăig, gewohnt und kompetent ausgefĂŒhrt werden, und das dafĂŒr vorhan-
dene implizite Wissen in den Vordergrund. Andererseits, da auch nicht stÀndig
nach Kabarettdefinitionen gesucht wird und, wie in vielen Kunstsparten, in erster
Linie die KĂŒnstlerin oder der KĂŒnstler vermarktet werden soll, ergibt sich daraus
ein Zugang, der explizit auf die einzelne, handelnde Person, das KĂŒnstlersubjekt,
fokussiert. Weitergedacht sind damit auch die sehr offenen Eingangsbedingun-
gen fĂŒr das ĂKA abgesteckt. Dieser âphĂ€nomenadĂ€quateâ Zugang ermöglicht in
der Folge die Frage nach den unterschiedlichen Praktiken und damit verbunde-
nen Subjektvorstellungen in den Blick zu nehmen.
2â Praxeologie
Der Begriff âPraxeologieâ bezeichnet die Wissenschaft von Praktiken. Praktiken
sind Handlungen, die mehrere Personen einer Gesellschaft routiniert vollziehen.
Folgt man Andreas Reckwitz, lĂ€sst sich generell festhalten: âEine Praktik besteht
aus bestimmten routinisierten Bewegungen und AktivitĂ€ten des Körpers. [âŠ]
Diese Körperlichkeit des Handelns und der Praktik umfasst die beiden Aspekte
der ,Inkorporiertheitâ von Wissen und der ,PerformativitĂ€tâ des Handelns (Reck-
witz 2003, 290)â.9 Es geht dabei, nach Reckwitz, um die âkörperlich-leibliche
Mobilisierbarkeit von Wissenâ, die von der sozialen Umwelt des Akteurs und von
diesem selbst als âskillful performanceâ interpretiert werden kann. Denn:
9â Jedoch so ist in Anschluss an Theodore R. Schatzki festzuhalten und herauszustellen, dass
Praktiken bestimmte Handlungswege prÀfigurieren und nicht determinieren sowie im Zusam-
menhang mit den impliziten Regeln des jeweiligen âSpielsâ verstanden werden mĂŒssen (vgl. Al-
kemeyer 2013, 47). Damit ist die wandelbare Komponente der Praktiken stÀrker betont.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik