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80â â Mario Huber
tinszenierungen zu sehen ist (vgl. Reckwitz 2012, 239â268): Die Unterscheidung
zwischen BĂŒhnenfigur und Darstellerin und Darsteller ist oftmals fĂŒr das Publi-
kum nicht durchschaubar und wird auch durch die Vermarktung und mediale
Aufbereitung weiter verwischt. KĂŒnstlernamen und ausgewiesene Kunstfiguren,
von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind nicht stark vertreten.14
Durch die unterschiedlichen Ebenen der sammelbaren Materialien und der
tatsĂ€chlichen AuffĂŒhrungssituation ergeben sich zusĂ€tzlich zwei nicht gĂ€nzlich
auflösbare ReibungsflĂ€chen fĂŒr Rezeption und folgend fĂŒr die Analyse. Es besteht
auf der einen Seite ein Widerspruch zwischen der medial aufbereiteten Veröffent-
lichung der Darbietungen, die nur eine Iteration einer Folge darstellt und eine
fixierte Form suggeriert, und der âspontanenâ, einmaligen performance, die indi-
viduellen Ausformungen Raum gibt. Dieser Aspekt bleibt in der Folge unberĂŒck-
sichtigt, jedoch sollte aus dem hier gewÀhlten Zugang ersichtlich werden, wie
man sich diesem Aspekt annÀhern könnte. Andererseits kommt bei dieser medial
transportierten Vorstellung eine Rollenzuweisung hinzu, die die Kabarettistin
und den Kabarettisten zwischen anti-bĂŒrgerlicher Gegenfigur und einer populĂ€-
ren Ăkonomisierung des Selbst positionieren, jedoch aufgrund der bestimmten
Beschaffenheit des Feldes und der Ausrichtung auf das Publikum die Ă€uĂeren
Pole â absolute MassenvertrĂ€glichkeit und absolute Verweigerung â grundsĂ€tz-
lich ausschlieĂt (vgl. Reckwitz 2016b, 205â207).15
Durch diesen Zugang bzw. die VorĂŒberlegungen ist es möglich, Auftritte einer
Kabarettistin oder eines Kabarettisten genauer auf bestimmte Positionierungen
und Reflexionen ĂŒber die eigene Person zu betrachten, die weder auf makrosko-
pische Strukturen noch auf inhaltliche oder formale Besonderheiten der/des Ein-
zelnen exklusiv fokussieren. Z. B. Roland DĂŒringers Programm DĂŒringer spielt
DĂŒrflinger von 2004, in dem DĂŒringer die BĂŒhnenfigur DĂŒrflinger spielt, die wie-
14â Dies ist explizit als Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu sehen. In den gĂ€ngigen Formen des
österreichischen Kabaretts z. B. der 1950er- bis 1970er-Jahre herrschen erstens Ensembles vor
und wird zweites herausragend auf Typenkomik gesetzt (vgl. Fink und Veigl 2016, 353â446).
15â Diese Feststellung geht von der Tatsache aus, dass, im Gegensatz z. B. zu Literatinnen und
Literaten, die auch ohne Publikum schreiben und in diesem Sinn die Marktvorstellungen igno-
rieren können (vgl. Bourdieu 2001, 198), Kabarettistinnen und Kabarettisten ein (wenn auch klei-
nes) Publikum benötigen. Auch mit Blick auf die Sammlungen des ĂKA ergibt sich diese Fest-
stellung: Die zusĂ€tzlichen Funktions- und Rollenzuweisungen, wie âAutorinâ/âAutorâ oder
âSatirikerinâ/âSatirikerâ, die fĂŒr unterschiedliche Publikationsformen ergĂ€nzt werden, heben
den Zusammenhang zwischen Kabarett und BĂŒhne ex negativo hervor. Wie diese Publikumssitu-
ation im Detail aussieht, muss hier offenbleiben; so ist theoretisch auch eine Kabarettvorstellung
z. B. via twitch und anderen Streamingdiensten vorstellbar und durchaus mitgemeint bzw. ange-
dacht.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik