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Der eine kommt ins Archiv, der andere kommt nicht ins Archivâ â
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links einzuordnen,18 obwohl die politische Dimension in den letzten Jahren,
betrachtet man z. B. die Themen der Gewinnerinnen und Gewinner der unter-
schiedlichen Kabarettpreise in Ăsterreich,19 immer mehr an Bedeutung verliert.
Was sich im Archiv in diesem Zusammenhang in Verbindung mit der ökono-
mischen Subjektform auch erkennen bzw. mittlerweile nicht mehr ganz erkennen
lÀsst, ist die Zunahme von besagten Kabarettwettbewerben, abseits von den ver-
liehenen Kabarettpreisen wie dem Salzburger Stier oder dem Ăsterreichischen
Kabarettpreis. Zum Grazer Kleinkunstvogel (seit 1987), dem FreistÀdter Frischling
neben dem (in Wien geborenen und) sich selbst als âQuotenperserâ bezeichnenden Michael Ni-
avarani, im österreichischen Kabarett anscheinend dennoch, auch abseits des ĂKA nicht vor-
handen. Von ein paar mÀnnlichen Ausnahmen, die dies dann gleich zum Programm manchen,
z. B. Mario LuÄiÄ, Cengiz Ăztunc, Omar Sarsam oder der Reihe âDer Derwisch erzĂ€hltâ von Aret
Aleksanyan, abgesehen. Diese KĂŒnstler, ausgenommen Sarsam, sind nur marginal im Archiv ver-
treten, da erstens (wie zu erwarten) keine PrimÀrtexte und zweites keine anderweitigen Publika-
tionen und/oder audiovisuellen Medien vorhanden sind. Der Sachverhalt, dass, trotz der groĂen
Anzahl an Kabarett-Preisen, die erwÀhnten Interpreten nicht zu den Gewinnern zÀhlen, soll hier
nicht zum Politikum gemacht werden. Lediglich ĂŒber die Flyer- und Plakatsammlung sowie ver-
einzelte Zeitungsberichte lĂ€sst sich im ĂKA vereinzelt diskursiv das Wirken der Genannten re-
konstruieren. HomosexualitÀt ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Alfons Haider und
Alexander Georg, ebenfalls nicht (offen) z. B. als thematischer Punkt im Programm vorhanden.
Queere Formen konnte der Autor in der österreichischen Kabarettszene nicht ausfindig machen.
In punkto Requisiten und Artefakte bzw. auch bezĂŒglich der Körperlichkeit (vgl. Alkemeyer 2013,
64â65) der Akteurinnen und Akteure ist natĂŒrlich eine groĂe Bandbreite gegeben, welche hier
nur kursorisch angeschnitten werden kann. So tritt GĂŒnther Paal (Gunkl) nur mit Mikrofon, Alf
Poier z. B. mit unterschiedlichsten Materialien auf; Alfred Dorfer hat mitunter seine Begleitband,
zu der auch Paal gehört, dabei. Der Umgang mit dem eigenen Körper und den daran gebundenen
Praktiken umfasst wiederum ein weites Spektrum an Möglichkeiten. Von einer sehr âreduzier-
tenâ performance, wobei auf speziellen körperlichen Einsatz weitestgehend verzichtet wird, wie
z. B. beim erwĂ€hnten GĂŒnter Paal, ist in unterschiedliche Richtungen viel Varianz. So zeigen sich
unterschiedlichste Ausformungen (mit einhergehenden Schwerpunktsetzungen) von körperbe-
tonten und -bewussten Arbeiten z. B. bei Nina Hartmann, Lisa Eckhardt oder Martin Puntigam.
18â âLinksâ ist hier groĂteils in einem sehr vagen Sinn zu lesen. Wenn die Programme nicht ex-
plizit diesen Impetus haben (z. B. bei Lukas Resetarits, Alfred Dorfer, Thomas Maurer, Florian
Scheuba und einigen anderen) und manchmal fast (Partei-)Politik bedeuten, dann wird zumeist
in Interviews zumindest Meinungsfreiheit, MultikulturalitĂ€t oder SolidaritĂ€t gegenĂŒber SchwĂ€-
chergestellten paradigmatisch hochgehalten â oder das Parteiprogramm der rechtspopulisti-
schen FPĂ als untragbar beschrieben.
19â Dass Ăsterreicher bei deutschen und schweizerischen Kabarettwettbewerben gewinnen und
selbstverstĂ€ndlich dies auch umgekehrt der Fall ist â der Grazer Kleinkunstvogel wurde bereits
im zweiten Jahr seines Bestehens von dem aus Bayern stammenden Michael Mittermeier gewon-
nen â, muss hier zur Kenntnis genommen werden. Insgesamt sind die âGrenzenâ des âösterrei-
chischenâ im ĂKA im primĂ€ren Wirkungsbereich zu sehen: Deshalb wird z. B. Dirk Stermann
gesammelt und Dieter Nuhr nicht.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik