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Kleine Literaturen â kleine Archive?â â
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Bedeutungen, zwischen âSammelnâ und âLesenâ, einem âZusammenlesen des
Archivs der KĂ€rntner Slowenischen Literaturâ gesprochen werden. Wer sammelt
und Archive lesend in den Blick nimmt, kann sich, so Arlette Farge, ânicht
dagegen wehren, auch beim Verschiedenen hĂ€ngen zu bleibenâ (Farge 2011, 53).
Sammeln ist der ânotwendige Mutterboden, auf dem man sein Denken grĂŒnden
kann. Die Falle dabei ist nichts als: so sehr vom Archiv aufgesogen zu werden,
dass man nicht einmal mehr weiĂ, wie man es befragtâ (Farge 2011, 57).
Befragt man die aktuelle Zweisprachige literarische Praxis der KĂ€rntner Slo-
wenen nach 1991, kommt man, so Andreas Leben (2019, 64), an zwei wesentlichen
Problemstellungen nicht vorbei: âWie soll man eine Literatur benennen, fĂŒr die
Sprache, ethnische Zugehörigkeit und regionale Gebundenheit keine verbind-
lichen Kriterien mehr sind, und wie kann der Raum bestimmt werden, in dem
diese Literatur entsteht?â. War es bis 1991 mit dem Begriff âKĂ€rntner slowenische
Literaturâ noch möglich, die literarische Produktion der ethnischen Minderheit
der KĂ€rntner Slowenen anhand des Sprachkriteriums relativ klar zu bestimmen,
sind Sprache und ein spezifisches Territorium keine ausreichenden Kriterien
mehr. Vielmehr ist die Literatur in einem âĂŒberregionalen, literarischen Inter-
aktionsraumâ4 zu verorten, der als âgrundsĂ€tzlich abstrakt, offen und transnatio-
nalâ zu bezeichnen ist. Eine zeitgemĂ€Ăe Positionierung des Begriffs âKĂ€rntner
slowenische Literaturâ erfordert eine Bestandsaufnahme von Institutionen, Model-
len und Akteuren, wie Erwin Köstler (2019) feststellt, orientieren sich KÀrntner
slowenische Autoren zunehmend in den deutschsprachigen Raum, zudem ist das
zweisprachige literarische Feld Ziel interkultureller Interaktionen, indem auch
deutschsprachige Autoren in einem produktiven, rezeptiven oder partizipativen
VerhÀltnis zu dieser Literatur in Erscheinung treten.
Im Rahmen des Untersuchungszeitraumes seit 1991 bis zur aktuellen
Gegenwart wurden erstmals Literaturarchive und NachlÀsse mitsamt deren
âspezifische[r] Geschichte und spezifische[n] Formationsprinzipienâ (Kastberger
2017, 20) befragt. Klaus Kastberger verweist auf das âErkenntnispotenzialâ von
âArchiven fĂŒr Literaturâ, diese geben im Anschluss an Wilhelm Dilthey nicht
nur Einblicke in die Werkstatt des Dichters und innere LebensumstÀnde von
Autoren, sondern auch in die âEntstehung von Werken und nationalen und regi-
onalen Literaturenâ (Kastberger 2017, 20). Archivieren und der Vorgang der
Bestandsbildung seien, so Markus Friedrich, eine âsozial eingebettete TĂ€tigkeit,
welche auf komplexen kulturellen Voraussetzungen beruhtâ (Friedrich 2016,
153). Die bisherige Forschung zur Literatur der KĂ€rntner Slowenen hat den Gang
4â Zum Begriff des âĂŒberregionalen literarischen Interaktionsraumsâ vgl. Leben (2019).
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik