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Kleine Literaturen – kleine Archive?
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Literaturarchiv nimmt in der Archivlandschaft der Kärntner slowenischen Litera-
tur einen besonderen Platz ein. An der Gründung des Instituts hat mit Josef, Jozej
Strutz, dem ehrenamtlichen Nachfolger Karl Dinklages, ein Kärntner Slowene
mitgewirkt. Das Musil-Haus, das Geburtshaus Musils in der Bahnhofstraße 50,
beherbergt zudem das der Kulturabteilung der Stadt Klagenfurt zugeordnete
Robert-Musil-Literaturmuseum. Seit 2015 gehört das RMI/KLA zur Fakultät für
Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Seine Trägerinsti-
tutionen sind die Universität Klagenfurt, das Land Kärnten und die Republik Öster-
reich, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und
Forschung (BMBWF), dieses vertreten durch den Rektor der Universität. Die Stadt
Klagenfurt stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung. Das RMI wurde 1994 unter
der Leitung von Klaus Amann gegründet und 1997 im Musil-Haus als Forschungs-
institut auf der Achse Klagenfurt-Triest-Ljubljana eröffnet. 1998 begann mit dem
Literaturwissenschaftler, Autor und Übersetzer Fabjan Hafner (1966–2016) ein
Kärntner Slowene am Institut zu arbeiten. Bei der Eröffnung am 6. November 1997
kam es zum Skandal. Neben Gert Jonke war der Kärntner slowenische Autor
Florjan Lipuš als Eröffnungsredner geladen. Als Lipuš öffentlich erklärte, warum
er auf Slowenisch schreibt, war dies Anlass genug für einen ÖVP-Stadtrat, die
finanzielle Zusage für das unmittelbar nach der Eröffnung stattfindende Sympo-
sium zu Florjan Lipuš zurückzunehmen. Die Begründung war, dass man das
Haus auch dreisprachig (deutsch, slowenisch, italienisch) hätte eröffnen können.
Die Kleine Zeitung berichtete vom „Polit-Mief um Musil-Haus“ und „Wo fünf slo-
wenische Sätze zuviel sind ...“. Dieser Skandal steht in einer Reihe längerer Skan-
dalgeschichten rund um das Slowenische als Literatursprache in den 1990er-Jah-
ren in Kärnten (vgl. Amann 2007, 59). Die Gründung des RMI/KLA bezeichnete
dessen ehemaliger Leiter Klaus Amann als „wichtigstes Faktum für die Sichtbar-
keit der slowenischen Literatur in Kärnten“ (Srienc 2017). Die Bestände des Lite-
raturarchivs werden wie auch in anderen von Bund und Land unterstützten
Archiven in der Regel vom Land Kärnten angekauft und dem Kärntner Literatur-
archiv als Dauerleihgaben für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Zu den
Aufgaben und forschungspolitischen Zielen des RMI/KLA ist die Erforschung der
Literatur- und Kulturgeschichte Kärntens im Kontext des Alpe-Adria-Raums, der
den Raum Kärnten-Slowenien-Friaul erfasst. Diese Ausrichtung ist strukturrele-
vant für das Kärntner Literaturarchiv und seine Logik der Sammlung. Diese hebt
es aus einem regionalen Rahmen heraus. Das Sammlungsprofil der Institution ist
im Gründungsvertrag festgeschrieben und umfasst die Sammlung, Erschließung
und Archivierung von Sammlungen, Vor- und Nachlassmaterialien sowie Doku-
menten des literarischen Lebens in beiden Landessprachen, Deutsch und Slowe-
nisch. Mit diesem wesentlichen, durchaus gesellschaftspolitischen Aufgaben-
verständnis leistet das RMI/KLA seinen Beitrag zur Sammlung, Bewahrung,
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik