Page - 106 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Stephan Gaisbauer
1.200 Stunden umfasst. Dazu kamen nach und nach auch digitalisierte Kopien
historischer und aktueller Aufnahmen von Projektpartnern (insgesamt rund 210
Stunden), unter anderem frühe Phonogramme und Tonbänder aus dem Bestand
des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
oder Tonaufnahmen benachbarter Sprachatlasunternehmen, die dem OÖ. Sprach-
archiv zu Forschungszwecken überlassen wurden.
Wenn die historischen Aufnahmen von Projektpartnern hinzugenommen
werden, kann behauptet werden, dass sich im Bestand des OÖ. Spracharchivs
sowohl die wesentlichen technischen Entwicklungen als auch die diversen Para-
digmen der Wissenschaftsgeschichte und deren Wechsel im Lauf des 20. Jahrhun-
derts spiegeln. Beide – die technischen und paradigmatischen Voraussetzungen –
lassen sich vielleicht am besten veranschaulichen, wenn wir uns entlang der
Zeitleiste vom Beginn der Tonaufzeichnung bis zu gegenwärtigen Projekten
bewegen.
1 
Beginn der Tonaufzeichnung: Phonogramme
Die Anfänge der Phonographie, also der Aufzeichnung und anschließenden Wie-
dergabe von Schallereignissen, liegen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Als
vor 120 Jahren auf Anregung des Physiologen Siegmund Exner-Ewarten das Pho-
nogrammarchiv an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien ein-
gerichtet wurde, wurden viele, auch geisteswissenschaftliche Disziplinen unter
naturwissenschaftlichen Vorzeichen betrieben. So auch die Sprachwissenschaft,
die nach den Erfolgen der Junggrammatiker bei der Rekonstruktion einer indoeu-
ropäischen Sprachtypologie für die betreffenden Einzelsprachen spezifische und
übergreifende Lautgesetze postulierte, die nach dem Vorbild der Naturgesetze
ausnahmslos gelten sollten (vgl. Putschke 1969). Eine der wesentlichsten Sub-
disziplinen war die Phonetik, die damals vor allem als Lautphysiologie betrieben
wurde. Ein wichtiges Hilfsmittel war dabei der Palatograph, eine technische
Apparatur, mit der man die Stellungen der Zunge bei der Bildung der einzelnen
Laute vermessen konnte. Die Entwicklung des Phonographen war ebenfalls ein
wichtiger Baustein in diesem Programm. In Wien kam dabei nicht der von Thomas
A. Edison patentierte Walzen-Phonograph zur Anwendung, sondern ein eigens
entwickeltes Gerät, bei dem runde Wachsplatten als Tonträger dienten, auf die
Schallereignisse mittels einer Nadel in „Tiefenschrift“ eingebracht wurden (vgl.
Lechleitner 2018). Diese Platten hatten den Vorteil, dass sich von ihnen auf relativ
einfache Weise Matrizen aus Metall herstellen ließen, die um vieles belastbarer
als ihre Originale waren. Die Aufzeichnungs- und Spieldauer eines solchen Pho-
nogramms betrug übrigens maximal 2 
½ Minuten.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik