Page - 119 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Einblicke in klösterliche Archive und Bibliotheken am Beispiel von St. Florianâ â
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Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts spielten darĂŒber hinaus die âzufĂ€lligen Lieb-
habereyen einzelner Stiftsmitgliederâ (Chmel 1827) eine Rolle. Gerade dieser Teil
des BĂŒcherbestands wĂ€re aber bedeutsam und beachtenswert.
Die Stiftsbibliothek St. Florian ist in Chmels Augen ein heterogener Bestand
mit Eigendynamik, der stark von Einzelpersonen geprÀgt ist, die bestimmte
FĂ€cher mit Liebe und Hingabe betrieben und entsprechende Spezialsammlungen
hinterlassen haben.
3â Stiftsbibliothek St. Florian
a)â
Geschichtlicher Ăberblick
Als eigentlicher GrĂŒnder der Stiftsbibliothek gilt Propst Leopold Zehetner (1612â
1646), der erstmals fĂŒr eine gezielte Bestandsvermehrung sorgte (vgl. dazu
Buchmayr 1996a). 1637 vollendete sein Bibliothekar Wolfgang Rainner den ersten
Bibliothekskatalog und gab ihm den blumigen Titel Paradisus Sapientiae. Rainner
teilte den Bestand in 17 Fachgebiete auf, innerhalb derer die BĂŒcher nach For-
maten geordnet waren. Ein zusÀtzliches Autorenregister erleichterte die Suche.
Ihren gröĂten Gönner fand die Stiftsbibliothek in Propst Johann Georg Wiesmayr
(1732â1755), der den Neubau des spĂ€tbarocken Bibliothekssaales durch
fĂŒhrte und
ĂŒber Agenten in vielen europĂ€ischen StĂ€dten BĂŒcher im Gesamtwert von 11.000
Gulden erwarb. Die thematische Ordnung wurde beibehalten. Der systematische
Katalog von 1746 teilte den Bestand von 15.000 BĂ€nden in fĂŒnf Fachgebiete mit 31
Ober- und 833 Unterkapiteln auf.
Im 19. Jahrhundert bereicherten hochkarÀtige individuelle Sammlungen die
Stiftsbibliothek, etwa jene moderner Literatur und Philosophie (AufklÀrung,
Romantik) von Propst Michael Ziegler oder jene der naturwissenschaftlichen
Sparte durch den Chorherrn Josef Schmidberger. Hinzu kamen die NachlÀsse
bedeutender Historiker (âSt. Florianer Historikerschuleâ; vgl. Rehberger 1979).
Deshalb sah sich Bibliothekar Albin Czerny in den 1860er-Jahren gezwungen,
eine groĂe Neuordnung vorzunehmen. Er teilte den Bestand in 15 Fachgebiete mit
36 Sparten auf und erweiterte die Bibliothek ĂŒber den Hauptsaal hinaus auf
sieben NebenrĂ€ume. Czerny fĂŒhrte den allgemeinen alphabetischen Autorenka-
talog seiner VorgÀnger weiter und legte zusÀtzlich zu jeder Sparte einen gebunde-
nen alphabetischen Autorenkatalog an. Um Platz zu gewinnen, nahm er auch
Skartierungen vor und sonderte z. B. die damals gering geschÀtzte barocke Perio-
chensammlung aus.
Albin Czernys System gilt fĂŒr den historischen Bestand bis 1970. Die Neu-
zugÀnge ab dem Erscheinungsjahr 1971 werden nach dem Numerus currens in
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik