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Monika Mayer
Gestapo/Sonderauftrag Linz/
Central Collecting Point München/
Österreichische Galerie/Restitution
Zur Geschichte der Kunstsammlung von Mathilde und Gottlieb
Kraus in Wien
Eine museale Sammlung wie jene der Österreichischen Galerie ist in ihrer mehr
als einhundertjährigen Geschichte einem steten Wandel unterworfen.1 Neben
Sammlungszuwächsen durch Schenkungen, Ankäufe und Übernahmen aus
anderen Museen stehen diverse Deakzessionen von Kunstwerken. So wurden in
den 1950er-Jahren Hauptwerke Egon Schieles wie Kardinal und Nonne oder das
Porträt Wally an den Sammler Rudolf Leopold im Tausch abgegeben. Nicht nur
der unersetzbare Verlust der 1945 in Schloss Immendorf zerstörten Fakultätsbil-
der Gustav Klimts, sondern auch Abgaben wie der frühen Landschaft Am Attersee
bereits 1923 „dezimierten“ den Klimt-Bestand. Aufgrund der alliierten Rückstel-
lungsgesetze wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Kunstwerke u. a. von
Emil Jakob Schindler oder Ferdinand Georg Waldmüller, die während der NS-Zeit
erworben worden waren, an ihre rechtmäßigen EigentümerInnen restituiert.
Bruno Grimschitz, der damalige Direktor der Österreichischen Galerie, hatte
nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 unter
aktiver Ausnützung der geänderten Machtverhältnisse eine offensive Erwer-
bungspolitik durchgeführt; diese ist in direktem Zusammenhang mit der Enteig-
nung und Zerschlagung „jüdischer“ Kunstsammlungen durch das NS-Regime zu
sehen (vgl. Mayer 2005).
Auf der Grundlage des österreichischen Kunstrückgabegesetzes vom Dezem-
ber 1998 (BGBl. I Nr. 181/1998 und BGBl. I Nr. 117/2009) und im Sinne einer kriti-
schen Hinterfragung der eigenen Sammlungspolitik werden sämtliche Erwerbun-
gen des Museums ab 1933 systematisch auf ihre Provenienz, d. h. ihre Herkunft,
überprüft. Damit soll geklärt werden, ob Kunstwerke während des NS-Regimes
1 Mit der Eröffnung der Modernen Galerie im Mai 1903 wurde der Grundstein für die heutigen
Sammlungen der Österreichischen Galerie Belvedere gelegt. Gründungsintention der von den
Secessionisten vehement geforderten Errichtung einer öffentlichen Galerie zeitgenössischer
Kunst war die Präsentation des österreichischen Kunstschaffens im internationalen Kontext (vgl.
Mayer 2018a).
Open Access. © 2020 Monika Mayer, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert
unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 Lizenz.
https://doi.org/10.1515/9783110696479-012
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik