Page - 189 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Archiv und Politik
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der Marktkenntnis“ durchgebrannt seien, „die eigentlich die öffentlichen Biblio-
theken vor törichten Handlungen bewahren sollten“.23 Bemerkenswert jedenfalls,
welch breites Echo ein kulturelles, eigentlich ja (fach-)wissenschaftliches Sujet
seinerzeit hervorzurufen vermochte.24 Wie es in unserem Zusammenhang eben-
falls festzuhalten gilt, dass damit München – so die Formel einer auffällig einmü-
tigen Sprachregelung im Feuilleton – avant la lettre zum (künftigen) ,Zentrum der
Stifter-Forschung‘ avancierte.25
Wurde aus naheliegenden Rechtfertigungsgründen dieser Erwerb bzw. diese
Investition von Münchner Seite deshalb von Beginn an mit der Notwendigkeit
verknüpft, diesen Bestand nunmehr rasch wissenschaftlich zu erschließen,
wofür der Münchner Ordinarius Hermann Kunisch (1901–1991) Zuständigkeit und
Verantwortung übernahm,26 bedeutet dies unter strategischen Gesichtspunkten,
dass hier der Erwerb einer Sammlung aller weiteren Planung voranging, die
Handschriften also bereits vor ihrer ,ordentlichen‘ Archivierung eine Eigendyna-
mik entfalteten, die dann 1968 zu ersten konkreten Resultaten führte, welche vor
dem Hintergrund der eben skizzierten internationalen Verwerfungen und Ver-
stimmungen alles andere als naheliegend oder gar selbstverständlich waren.
1968 nämlich fand anlässlich der 100. Wiederkehr von Stifters Todesjahr im
österreichischen Bad Hall ein international besetztes Symposion statt, auf dem
sich eine Sektion ausschließlich den ersten Schritten zur Planung einer neuen,
das nunmehr zur Verfügung stehenden Archivmaterial auswertenden historisch-
23 So im Düsseldorfer Handelsblatt vom 30. November 1964 unter der Überschrift Teure Trium-
phe der Bibliotheken. Auch das Linzer Volksblatt vom 1. Dezember 1964 kritisiert die erzielten
„Phantasiepreise“.
24 Das Archiv der Münchner Arbeitsstelle bei der „Bayerischen Akademie der Wissenschaften“
– Sitz der Redaktion der HKG – dokumentiert zwischen dem 25. September 1964 und Februar
1965 insgesamt 83 z.
T. umfängliche Presseberichte. Waren vor dem Versteigerungstermin sieben
Artikel erschienen, liegt der Schwerpunkt der Berichterstattung dann im Zeitraum zwischen dem
30. November und dem 14. Dezember 1964. Am 9. Dezember etwa wurde in nicht weniger als 24
Presseorganen über das Ergebnis der Auktion berichtet. – Im Anschluss an die Erklärung des
Adalbert-Stifter-Institutes (1965) veröffentlicht das Institut eine von Max Stefl (1965, 143–144) zu-
sammengestellte, auch als Sonderdruck publizierte tabellarische Publikationsliste: Im Spiegel
der Presse.
25 Gerade am 9. Dezember bildet diese Wendung unisono die Überschrift zahlreicher Artikel,
etwa im Düsseldorfer Handelsblatt (München als Stifterzentrum), der Mittelbayerischen Zeitung
Regensburg (Forschungszentrum für Stifters Schaffen) oder den Salzburger Nachrichten (München
wird Zentrum für Stifter) u.
ö.
26 Bereits am 8.
Dezember 1964 heißt es im Beitrag Der teure Nachsommer der Münchner Abend-
zeitung hierzu: „So hat Professor Dr. Hermann Kunisch von der Münchner Universität bereits
sein und seiner Studenten lebhaftes Interesse an vergleichenden Studien anhand der kostbaren
Werke kundgetan.“
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik