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der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Oral History der Überlebenden |
Autoren und Autorinnen des hier vorgestellten Projekts36 waren jedoch der Ansicht,
dass nicht Purismus, sondern nur eine Kombination der multivalenten «objektiven»
und der «subjektiven» Elemente in der Vergegenwärtigung der NS-Vergangenheit, wie
wir damals vereinfachend sagten, der Komplexität der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
gerecht werden könne. Dieses Nebeneinander von «objektiven» und «subjektiven» Ele-
menten, von wissenschaftlicher Geschichte und politisch-aufklärerischem Gedenken,
war bereits in der Gedenkstätte Mauthausen vorhanden, in den Formen des – noch
stark zu verbessernden – wissenschaftlichen und musealen Repräsentierens von KZ-
Geschichte und in den Modi des kollektiven (und personellen) Erinnerns an das
«Mauthausen» der Jahre 1938 bis 1945. Daher stellt(e) die Aufzeichnung, Sicherung
und sachgemäße Archivierung der letzten noch möglichen Zeitzeugen- und Zeitzeu-
ginnengespräche und -interviews ein Anliegen dar, das über seinen erwarteten wissen-
schaftlichen Zweck weit hinausging. Eine dauerhafte Dokumentierung der Erzählun-
gen der letzten noch lebenden Zeitzeugen und Zeitzeuginnen konnte höchste Priorität
im Sinne einer umfassenden Gedenkstättenarbeit und politischen Bildung erlangen
und in der damals schon nahen Zukunft die dann verschwundene, unabdingbare «sub-
jektive» Dimension des historischen Gedächtnisses an die NS-Verfolgung repräsentie-
ren, was mit dem fast gänzlichen Wegsterben der letzten Überlebenden unterdessen
voll eingetreten ist. Heute ist dieser vom MSDP geschaffene Quellenkorpus jedoch
weiterhin (wie schon andere weiter zurĂĽckliegende Sammlungen mĂĽndlich produzier-
ter Quellen) ein wertvoller Ansatzpunkt fĂĽr diachron vergleichende Forschungen zur
Oral-History-Methode und zu den eingetretenen Wandlungen der KZ-Forschung.37
In einer bemerkenswerten Weise hat der von 2000 bis 2004 amtierende Innenmi-
nister Ernst Strasser dieses Vorhaben, das schon frĂĽher angeregt worden war38, von
Anfang an zu einer Priorität der gesamten Gedenkstättenreform in Mauthausen ge-
macht. In der von ihm im Innenministerium eingerichteten «Reforminitiative KZ-
Gedenkstätte Mauthausen»39 wurden Vorschläge erarbeitet, die sich unter anderem an
leitenden Grundsätzen, die weitgehend auch die des schließlich genehmigten Projekts
sind, orientierten : Bewahrung der Authentizität, Multiperspektivität und Vielschich-
tigkeit der dargestellten historischen Ereignisse und Zustände sowie Zulassen der für
die diversen Besucher- und Besucherinnengruppen unterschiedlichen symbolischen
Bedeutungen und Interessenorientierungen. Nicht zuletzt sollte dies durch wechselsei-
tige Kontextualisierung von «objektiven» Zeugnissen durch «subjektive» Erfahrungen
Überlebender und durch die Kommentierung der «authentischen» Bauteile und Doku-
36 Siehe auch Botz et al., Gedenkstätten-Museum Mauthausen, S. 36–38 und 52 f.
37 Siehe etwa : Brigitte Halbmayr : Sekundäranalyse qualitativer Daten aus lebensgeschichtlichen Interviews.
Reflexionen zu einigen zentralen Herausforderungen, in : BIOS 21.2 (2008), S. 256–267.
38 Botz et al., Gedenkstätten-Museum Mauthausen, S. 49.
39 Andreas Baumgartner et al.: Reforminitiative KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Endbericht, unveröff. Ma-
nuskript, Wien 2001.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen