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65Das
Mauthausen Survivors Documentation Project (2002/03) |
Vergleichen nachzugehen. Wir haben uns daher für eine Erhöhung des Frauenanteils
der zu interviewenden Überlebenden um mehr als das Doppelte auf zehn Prozent
(80 Frauen) entschieden. (Schließlich wurden sogar 96 Frauen interviewt.) Ebenso
haben wir den Anteil derer, die im SS-System als «Juden» gekennzeichnet waren und
die wenigsten Chancen gehabt hatten, Mauthausen zu überleben, von einem Viertel
auf etwa ein Drittel im Sample erhöht, was systematisch komparative Untersuchungen
anregen kann, allerdings auch Probleme der quantitativen Abbildqualität unseres Sam-
ples geschaffen hat, die erst rechnerisch ausgeglichen werden müssten.
Unsere Interviewten spiegeln auch nur sehr entfernt die unterschiedlichen Alters-
gruppen innerhalb der Häftlingsgesellschaft von 1945 wider, da – wie eingangs schon
erwähnt – in den Jahren 2002/03 nur die ehemals jüngsten KZ-Häftlinge eine Chance
hatten, zu leben und noch sprechen zu können und in unser Sample aufgenommen zu
werden.21 Dazu kam, dass aufgrund ihres hohen Alters diesen Personen die Strapazen
eines solchen Interviews oft nicht mehr zugemutet werden konnten.
Kriterien einer Zufallsstichprobe sind aus all diesen Gründen nicht erfüllbar ge-
wesen, aber auch eine Zufallsauswahl unter den in Frage kommenden Überlebenden
war aufgrund eines gravierenden Mangels an Namen und Adressen unmöglich. Solche
Adressen suchten und erhielten wir vor allem mit Unterstützung des Comité Internati-
onal de Mauthausen, des Archivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, nationaler Über-
lebendenverbände, wie der französischen und belgischen Amicale de Mauthausen, und
nahestehender Organisationen wie Mauthausen aktiv.22 Die Suche nach Überlebenden
im MSDP wurde zunächst nur teilweise protokolliert und nachvollziehbar gemacht,
was allerdings in einem derart von persönlichen und gruppenspezifischen Netzwerken
und Möglichkeiten abhängigen Verfahren verständlich ist. Erst bei der Auswahl der
Interviews bei der Mauthausen-Videoausstellung ab 2003 hatten wir aus den vorher-
gehenden Arbeitsschritten des MSDP gelernt, was in unsere weitere Arbeit einfließen
konnte.23 Von Anfang an unterstützten uns jedoch bei der Suche nach geeigneten In-
terviewpersonen auch andere einschlägig qualifizierte Personen aus der Wissenschaft,
die nicht im MSDP-Team integriert waren, und aus manchen sozialen Hilfsorganisati-
onen wie dem österreichischen Gedenkdienst. Ergänzend wurden öffentliche Aufrufe
und Inserate geschaltet, aber am effizientesten stellte sich das Schneeballprinzip heraus,
das vielfach durch die Netzwerke der Überlebenden selbst in Gang kam. Jedenfalls
sollten keinesfalls nur «politische» Häftlinge und Sprechgeübte erfasst werden. An-
gehörige bisher meist «vergessener Kategorien» des NS-Lagersystems wie «Zigeuner»,
Homosexuelle, «Asoziale», «Kriminelle», Geiseln und Kriegsgefangene sollten annä-
hernd im geplanten Umfang interviewt werden, was allerdings kaum gelang.
21 Dies zeigt auch die Auswertung der MSDP-Datenbank von Berger/Prenninger in diesem Band.
22 Wir danken hier den vielen Personen und Organisationen, die uns dabei unterstützt haben.
23 Abschlussprotokoll des Workshops vom 6. bis 8. Februar 2003, an der praktisch unverändert das endgül-
tige Team des MSDP mitwirkte (siehe Anhang).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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book Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Volume 1"
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen