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68 | Gerhard Botz, Helga Amesberger und Brigitte Halbmayr
gen mit dem Projektleiter als sehr kooperativ. Er verwies darauf, dass es vom serbi-
schen Nationsverständnis her nicht zumutbar sei, serbische Überlebende durch maze-
donische Interviewer und Interviewerinnen befragen zu lassen. Dieses Argument soll
hier nicht vom Standpunkt der hoch gehaltenen (aber limitierten) Internationalität der
Mauthausen-Ăśberlebenden bewertet werden, es entsprach jedenfalls einem der zentra-
len Grundsätze von Pierre Bourdieus «gewaltfreier» und von «intellektueller Liebe» ge-
leiteter Kommunikation bei Interviews mit gesellschaftlich und kulturell ausgeschlos-
senen oder marginalisierten Gruppen.34 Daher wurde – bereits nach einigen Monaten
LaufzeitÂ
– ein eigener Teilprojektleiter für Serbien gewonnen ; von Vorteil war, dass der
Historiker Pedrag Marković bereits als Humboldt-Stipendiat in Deutschland gearbeitet
hatte. In der weiteren Folge wurde auch fĂĽr Slowenien BoĹľo Repe als Teilprojektleiter
bestellt, der schon dem Forschungsnetzwerk Faschismus um Stein U. Larsen in Bergen
(Norwegen) angehört hatte.35
Ähnliche Schwierigkeiten gab es in Tschechien und in der Slowakei. Aus dem Kreis
der tschechischen Lagergemeinschaft wurden nämlich Bedenken geäußert, beide Län-
der vom slowakischen Regionalkoordinator bearbeiten zu lassen. Daher musste auch
fĂĽr die Tschechische Republik eine eigene Teilprojektleiterin gesucht und installiert
werden. Überhaupt waren mögliche (angedeutete und manchmal real gemachte) Vor-
behalte gegenüber einer Anwesenheit von deutschsprachigen Personen während des
Interviews auch dafür verantwortlich, dass in einigen Ländern nicht österreichische,
sondern örtliche Videoteams eingesetzt wurden.
In manchen Ländern war es auch äußerst schwierig bzw. ganz unmöglich, auf die
gemäß unserer Sample-Planung gewünschte Anzahl von Interviews zu kommen. Dies
traf zunächst für Israel zu, wo die anfänglich großen Schwierigkeiten nur von dem
Regionalkoordinator, Frank Stern, überwunden werden konnten. Ähnlich war es über-
raschenderweise – in einem besonderen Ausmaß – in Deutschland und – weniger gra-
vierend – auch in Österreich.
FĂĽr Deutschland dĂĽrften die Schwierigkeiten, genĂĽgend Interviewpersonen zu er-
reichen und zu gewinnen, damit zusammenhängen, dass relativ viele der deutschen
Mauthausen-Überlebenden bzw. -Inhaftierten sogenannte «Asoziale» oder «Krimi-
nelle» gewesen waren und über Vermittlung durch die (meist «politisch» organisier-
ten) Verbände der Überlebenden kaum erreicht werden konnten, weil diese und an-
dere ähnlich «tabuisierte» Verfolgtengruppen von der Öffentlichkeit zurückgezogen
lebten oder weil sie nicht als solche AuĂźenseiter bzw. stigmatisierte Gruppenange-
hörige erkannt werden wollten, teils aber auch, weil diese Häftlingsgruppen und die
34 Pierre Bourdieu : Verstehen, in : ders. et al., Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen
Leidens an der Gesellschaft, Konstanz 1998, S. 779–822, hier 781 ff.
35 Für Kroatien, worauf nur ein relativ kleiner Anteil der jugoslawischen Mauthausen-Häftlinge entfiel,
konnteÂ
– auch aus Zeit- und KostengrĂĽndenÂ
– keine Teilprojektleitung eingerichtet werden. Stein Ugelvik
Larsen/Bernt Hagtvet (Hg.) : Modern Europe after Fascism, 1943–1980s, Boulder, CO 1998.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen