Page - 130 - in Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Volume 1
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130 | Heinrich Berger und Alexander Prenninger
Haft, mehr als ein Viertel zwischen ein und zwei Jahren, über ein Fünftel zwei bis drei
Jahre und 18 Prozent drei bis vier Jahre. Immerhin 16 Prozent der Interviewten waren
länger als vier Jahre deportiert bzw. in Haft und einige sogar über zehn Jahre.
Betrachtet man die Haftdauer nach den Herkunftsländern, fällt auf, dass die Depor-
tierten aus Italien, Ungarn und Rumänien im Durchschnitt «nur» knapp über ein Jahr
in Haft waren. Die italienischen Überlebenden waren zum größten Teil aus politischen
Gründen deportiert worden und in der Mehrzahl erst im Laufe des Jahres 1944 verhaf-
tet worden. Die aus Ungarn und Rumänien stammenden Juden und Jüdinnen gaben –
abgesehen von den oben erwähnten Ausnahmen der «Arbeitsdienstler» – meist den
Sommer oder Herbst 1944 als Verfolgungsbeginn an. Die längsten Haftzeiten weisen
erwartungsgemäß Überlebende auf, die aus dem Deutschen Reich bzw. dem Freistaat
Danzig stammen. Einige dieser Überlebenden wurden bereits zwischen 1933 und 1938
verfolgt.
Nach dem Verfolgungsgrund hatten jene Interviewten, die als Geiseln deportiert
wurden, die kürzeste Haftdauer, gefolgt von Personen, die aktiven Widerstand geleistet
hatten oder aufgrund rassistischer NS-Gesetze verfolgt wurden. Die längste Haftdauer
weisen jene Gruppen auf, die aufgrund ihrer Religion, als Roma bzw. Sinti sowie als
sogenannte «Asoziale» interniert wurden, die auch mehr als die Hälfte ihrer Haftzeit
im KZ-Komplex Mauthausen verbrachten.
Ankunft in Mauthausen
Fast drei Viertel aller MSDP-Überlebenden kamen erst in den Jahren 1944 und 1945
nach Mauthausen. Der größte Teil dieser Gruppe erreichte das Lager im Zuge der
Evakuierung von anderen Lagern und Gefängnissen. Der KZ-Komplex Mauthausen
entwickelte sich in der Endphase des nationalsozialistischen Lagersystems zu einem
zentralen Evakuierungsziel für die Transporte aus aufgelösten Lagern und Gefängnis-
sen. Zu den größten Transporten dieser Phase, mit denen MSDP-Überlebende nach
Mauthausen kamen, zählten die Evakuierungstransporte aus den Konzentrations-
lagern Maj danek und Płaszów im August 1944, die frühen Räumungstransporte aus
Auschwitz von Mai bis September 1944 und schließlich die Transporte im Zuge der
Auflösung der Lagerkomplexe von Auschwitz und Groß-Rosen im Jänner und Februar
1945. Im April und Mai trafen vor allem Evakuierungstransporte aus den Flossenbür-
ger Außenlagern Freiberg und Venusberg sowie dem KZ Ravensbrück ein sowie die
große Gruppe der ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter vom «Südostwall».84
84 Vgl. Alexander Prenninger : Das letzte Lager. Evakuierungstransporte in der Endphase des KZ-Komple-
xes Mauthausen, phil. Diss. Univ. Wien 2017, sowie seinen Beitrag in Band
2 dieser Publikation und Eleo-
nore Lappin-Eppel : Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/
45. Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen, Wien 2010 (Austria : Forschung und Wissenschaft, Ge-
schichte, 3).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen