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169Besatzer,
Besetzte und Verfolgung in Hitlers Europa |
folgten Polen und Juden mit drakonischer Härte, sowohl in politischen Strafsachen als
auch bei den geringsten Vergehen wie etwa Schwarzhandel. Aber auch darüber hinaus
arbeitete die Besatzungsverwaltung eng mit dem SS- und Polizei-Apparat zusammen,
der ja die eigentlichen Mordaktionen durchführte. So unterstützten die Verwaltun-
gen die gezielten Morde an Polen, etwa im Frühjahr 1940 die sogenannte «Intelligenz-
aktion» gegen polnische Eliten oder Ende 1942 die sogenannte «Asozialen-Aktion»
gegen verarmte, aber auch gegen politisch unerwünschte Personen. Freilich wander-
ten immer mehr Kompetenzen in der Verfolgung zur Polizei, die dieses Geschäft ab
1942/43 weitgehend in die eigene Hand nahm.
Ganz entscheidend war der Beitrag der Besatzungsverwaltungen bei der Ermordung
der Juden. Schon die Unterdrückungsmaßnahmen, die weitgehend auf das Konto der
Verwaltung gingen, zeitigten mörderische Ergebnisse. Die Unterversorgung der Ghet-
tos, insbesondere in Łódź und Warschau, führte allein in diesen beiden Städten bis
1942 zu etwa 100.000 Todesfällen, also faktisch zu einem schleichenden Völkermord.
Schon bald nach der Abriegelung der Ghettos forderten die Beamten, dass die Flucht
aus diesen Zwangswohnbezirken mit dem Tod geahndet werden sollte, damit die von
der Besatzung verursachten Seuchen nicht auf die übrige Bevölkerung überspringen
konnten. Zunächst verhängten die Sondergerichte Todesurteile gegen die Flüchtigen ;
die Besatzungsfunktionäre begrüßten es jedoch, dass die Polizei diese Aufgabe bald
selbst in die Hand nahm und diese Menschen ohne großes Verfahren unmittelbar nach
ihrer Ergreifung erschoss.
Schon Mitte 1941 verstärkten sich in den Besatzungsverwaltungen die Diskussio-
nen darüber, was mit den isolierten und pauperisierten Juden geschehen solle. Zwar
war immer noch eine Totalabschiebung in irgendein «Reservat» im Gespräch, sei es
nach Madagaskar oder in die Sümpfe in Weißrussland, doch nun wurde auch ernsthaft
der Massenmord an vermeintlich Arbeitsunfähigen diskutiert. Wahrscheinlich kam
die Initiative zur Einrichtung des ersten Vernichtungslagers Kulmhof (Chełmno) im
Warthegau direkt vom Reichsstatthalter Arthur Greiser.11 Die übrigen Vernichtungs-
lager errichtete zwar die SS, die regionalen Verwalter drängten jedoch massiv darauf,
dass mit den Mordaktionen in ihrem jeweiligen Gebiet begonnen würde, dass ihr Di-
strikt oder Kreis als erster «judenfrei» würde. So beteiligte sich die Zivilverwaltung
auch an der Vorbereitung und Durchführung der Ghettoräumungen. Dabei handelte
es sich um brutale Razzien, bei denen die Polizei innerhalb der Städte oft wild um
sich schoss. Die Verwaltungen stellten Hilfskräfte, die Arbeitsämter nahmen an den
Selektionen der Opfer teil und bestimmten oft den Personenkreis, der ermordet wer-
den sollte. Nicht selten gingen die Täter mit der Waffe in der Hand ins Ghetto und
mordeten selbst. Auch darüber hinaus waren alle deutschen Dienststellen, inklusive
Post, Bahn usw., bestens über den Verlauf der Verbrechen informiert, wenn nicht gar
11 Peter Klein : Die «Gettoverwaltung Litzmannstadt» 1940–1944. Eine Dienststelle im Spannungsfeld von
Kommunalbürokratie und staatlicher Verfolgungspolitik, Hamburg 2009.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen