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197Nationalsozialistische
Terrorstätten |
in der Roten Armee, die leitenden Persönlichkeiten der Zentral- und Mittelinstanzen
bei den staatlichen Behörden, die führenden Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens,
die sowjetrussischen Intelligenzler, alle Juden, alle Personen, die als Aufwiegler oder
fanatische Kommunisten festgestellt werden.»36 Die «politischen Kommissare» sollten
in Konzentrationslager überstellt und dort getötet werden.37 In den meisten KZ fanden
im Herbst 1941 derartige Massenmordaktionen statt, wobei die Konzentrationslager-
SS eine spezifische Tötungsweise entwickelte, nämlich die Erschießung in einer soge-
nannten Genickschussanlage. Hervorzuheben ist, dass die SS-Männer dabei eine «ärzt-
liche Untersuchung» inszenierten, um die Opfer über ihren bevorstehenden Tod zu
täuschen. Durch die Tätigkeit der Ärztekommission der «T4», die wenige Wochen zu-
vor im Rahmen der «Aktion 14 f 13» in den KZ tätig geworden war, hatte die Lager-SS
begriffen, wie kranke und unliebsame KZ-Häftlinge «problemlos» in den Tod geschickt
werden konnten. Vergleicht man die Inszenierung einer «medizinischen» Untersu-
chung in der Genickschussanlage mit dem ärztlichen Selektionsverfahren der «Aktion
14 f 3», so fällt die frappierende Ähnlichkeit auf. Die SS-Führer hatten dieses mehr
oder weniger unverändert übertragen und die «politischen Kommissare» gingen tat-
sächlich arglos in den Tod. Die Lager-SS ermordete im Herbst 1941 mindestens 40.000
«politische Kommissare» in den «Genickschussanlagen», auf speziellen Schießplätzen
oder durch Giftinjektionen.38 Auch für die Tötungsexperimente mit Gas in Auschwitz
zog die SS (neben kranken polnischen Häftlingen) sowjetische Kriegsgefangene heran.
Nahezu zeitgleich zur Ermordung der «politischen Kommissare» wurden in den
meisten Konzentrationslagern auch separate Lagerbereiche zur Inhaftierung sowjeti-
scher Kriegsgefangener eingerichtet, da Himmler mit der Wehrmacht vereinbart hatte,
diese in seinen Machtbereich zu übernehmen. So ließ er im Herbst 1941 zwei neue, der
IKL unterstellte Lagerkomplexe errichten, die «Kriegsgefangenenlager der Waffen-SS»
Majdanek und Birkenau39, und in den meisten anderen KZ sogenannte Kriegsgefan-
36 Einsatzbefehl Nr. 8 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 17. 7. 1941, abgedr. in : Alfred Streim :
Sowjetische Gefangene in Hitlers Vernichtungskrieg. Berichte und Dokumente 1941–1945, Karlsruhe
1982, S. 202–211. Zu den jüdischen sowjetischen Kriegsgefangenen vgl. Pavel Polian : Sowjetische Juden
als Kriegsgefangene. Die ersten Opfer des Holocaust ?, in : Bischof et al. (Hg.), Kriegsgefangene des Zwei-
ten Weltkrieges, S. 487–505.
37 Einsatzbefehl Nr. 9 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 21. 7. 1941, abgedr. in : Alfred
Streim : Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener im «Fall Barbarossa». Eine Dokumentation. Un-
ter Berücksichtigung der Unterlagen deutscher Strafverfolgungsbehörden und der Materialen der Zent-
ralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen, Karlsruhe 1981 (Motive,
Texte, Materialien, 13), S. 322 f.
38 Zahlen nach Rolf Keller/Reinhard Otto : Sowjetische Kriegsgefangene in Konzentrationslagern der SS.
Ein Überblick, in : Ibel (Hg.), Einvernehmliche Zusammenarbeit, S. 15–43, hier 33. Zu den Todeszahlen
ausführlich auch Otto, Wehrmacht, S. 263–268.
39 In Majdanek und Birkenau blieb die Zahl der eingelieferten Kriegsgefangenen jedoch weit hinter den
Ankündigungen zurück, sodass die Haftstätten vorwiegend als KZ genutzt wurden.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen