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Christian Dürr und Ralf Lechner
Das Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945
Die Etablierung eines Konzentrationslagers in der «Ostmark»
Nur wenige Tage nach dem «Anschluss» Österreichs an das nationalsozialistische
Deutsche Reich am 12. März 1938 machten die neuen Gewalthaber Pläne für die Er-
richtung eines Konzentrationslagers in Österreich öffentlich. Zunächst kündigte der
Reichsführer-SS Heinrich Himmler am 22. März bei einer Ansprache vor SS-Ange-
hörigen im Linzer Stadion die Aufstellung einer SS-Totenkopfstandarte in Oberös-
terreich an.1 Der «Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem
Deutschen Reich» Josef Bürckel verkündete bei einer Rede am 24. März im Wiener
Konzerthaus die bevorstehende «Entdeckung» einer Fabrik oder eines Steinbruches,
wo österreichische Juden zur Zwangsarbeit eingesetzt werden sollten.2 Vier Tage später
verkündete der Gauleiter August Eigruber bei einer öffentlichen Ansprache in Gmun-
den, dass Oberösterreich mit der Errichtung eines Konzentrationslagers «ausgezeich-
net» werden sollte.3
Diese propagandistischen Ankündigungen zeugen von der Bedeutung, welche die Na-
tionalsozialisten der Errichtung eines Konzentrationslagers im annektierten Österreich
zumaßen. Mehrere Gründe waren für den Bau des ersten Konzentrationslagers außer-
halb des «Altreichs» ausschlaggebend. Mit der Neuorganisation des KZ-Systems durch
den Inspekteur der Konzentrationslager (IKL) Theodor Eicke waren die Standorte für die
zentralen KZ Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau nach territorialen Gesichtspunk-
1 Bertrand Perz : Die SS im KZ Mauthausen. Eine Skizze, in : Gregor Holzinger (Hg.), Die zweite Reihe.
Täterbiographien aus dem Konzentrationslager Mauthausen, Wien 2016 (Mauthausen-Studien, 10),
S. 15–44, hier 16 f. SS-Totenkopfstandarten waren dezidiert für die Bewachung von Konzentrationsla-
gern vorgesehen. Bis zur Gründung der vierten Totenkopfstandarte waren die Standarten «Oberbayern»,
«Brandenburg» und «Thüringen» den Konzentrationslagern Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald
zugeordnet. Die neue, dem Konzentrationslager Mauthausen zugeteilte Totenkopfstandarte erhielt den
Namen «Ostmark».
2 Gerhard Botz : Wien vom «Anschluß» zum Krieg. Nationalsozialistische Machtübernahme und politisch-
soziale Umgestaltung am Beispiel der Stadt Wien 1938/39, Wien/München 1978, S. 255 ; ders.: National-
sozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39, überarb. u. erw.
Neuaufl., Wien 2008 [1978], S. 343.
3 «Bollwerk Salzkammergut», in : Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe (29. 3. 1938), zit. nach Florian
Freund/Bertrand Perz : Mauthausen – Stammlager, in : Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Der Ort des
Terrors. Bd. 4 : Flossenbürg – Mauthausen – Ravensbrück, München 2006, S. 293–346, hier 293. Unter
dem Titel «‹Honour› for Upper Austria. A Concentration Camp» berichtete auch die Londoner «Times»
am 30. März 1938 von der Ansprache Eigrubers.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen