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214 | Christian Dürr und Ralf Lechner
ten gewählt worden.4 Nach diesem Kriterium sollte auch für die «Ostmark» ein zentrales
Einweisungslager eingerichtet werden. Genauso spielte die Erweiterung des Haftraumes
in den Planungen der SS eine wesentliche Rolle : Mit den Massenverhaftungen infolge des
«Anschlusses» war die seit 1937/38 hohe Zahl der KZ-Häftlinge noch einmal sprunghaft
angestiegen. Schließlich ließ auch die in Vorbereitung auf den Krieg verschärfte Verfol-
gungspolitik die Deportation einer großen Häftlingszahl in die Konzentrationslager er-
warten. 1938 wurde das bestehende KZ-System mit der Vergrößerung des KZ Dachau so-
wie mit der Gründung der Lager Flossenbürg und Mauthausen erheblich erweitert, 1939
zusätzlich durch das zentrale Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück.
Bei der Wahl des Standortes für das Konzentrationslager in Oberösterreich spiel-
ten auch ökonomische Zielsetzungen sowie machterhaltendes Kalkül eine Rolle. Seit
1937/38 plante die SS den Einstieg in die Baustoffindustrie. Der Vierjahresplan war
auf die Kriegsvorbereitungen fokussiert und führte zu einem Arbeitskräftemangel auf
dem Bausektor. Da zugleich das Bauprogramm für die nationalsozialistischen Pres-
tigebauten in monumentalem Ausmaß projektiert war, kamen Hitler, Himmler und
Generalbauinspektor Albert Speer bei einer Besprechung im Jahr 1937 überein, dass
die SS unter Ausnutzung der Arbeitskraft von KZ-Häftlingen Ziegel und Granit für die
Prestigebauten des «Dritten Reichs» liefern sollte.
Vor diesem Hintergrund gründete die SS am 29. April 1938 ihr erstes Großunter-
nehmen, die «Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH» (DESt).5 Dieses Unternehmen
sollte mit der Arbeitskraft der KZ-Häftlinge die benötigten Baustoffe produzieren.
Während einer Besprechung bei der Reichsleitung der NSDAP am 15. Juni 1938 er-
läuterte der Verwaltungschef des SS-Hauptamtes, Oswald Pohl, dass das Klinkerwerk
beim KZ Buchenwald von der SS errichtet worden sei,
«um für die durch den Anschluss Österreichs sehr erheblich angestiegene Zahl der Häftlinge
der Konzentrationslager Beschäftigung zu schaffen. Die Gründung des Werkes geht zurück
auf eine Anordnung des Führers anlässlich einer Besprechung beim Führer mit dem Reichs-
führer SS und Architekt Speer.»
Speer benötige jährlich circa zwei Milliarden Ziegelsteine. Ihre Produktion sei durch
«brach liegende Arbeitskräfte» möglich gewesen. Weiter führte Pohl aus :
«Diese Häftlinge (in Dachau haben sich diese in letzter Zeit von 2000 auf 7000 vermehrt)
werden aber nicht nur in diesem Werk, sondern auch in einem weiteren noch zu gründenden
Werk in Sachsenhausen eingesetzt. Ferner sollen die Häftlinge beschäftigt werden in 3 großen
4 Vgl. Falk Pingel : Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung im KZ,
Hamburg 1978 (Historische Perspektiven, 12), S. 63 ; Klaus Drobisch/Günther Wieland : System der NS-
Konzentrationslager 1933–1945, Berlin 1993, S. 280.
5 Siehe Hermann Kaienburg : Die Wirtschaft der SS, Berlin 2003, S. 603 ff.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen