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233Das
Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945 |
kommission Selektionen in den KZ verschob, in Gang gesetzt.96 In Mauthausen wurde
vom 5. Juli bis zum 23. September 1941 eine Lagersperre wegen einer Fleckfieberepi-
demie verhängt.97 In Mauthausen wie auch in den Konzentrationslagern Neuengamme,
Groß-Rosen, Flossenbürg oder Natzweiler ging die SS dazu über, kranke Häftlinge
durch Giftinjektionen zu ermorden.98 Insbesondere Häftlinge mit Lungen- oder Infek-
tionskrankheiten wurden auf dem Operationstisch narkotisiert und durch Injektion
unter anderem von Magnesiumchlorat, Cyan-Rhodan oder Benzin ermordet.99
In Gusen hingegen entwickelte SS-HauptscharfĂĽhrer Heinz Jentzsch100, der Adju-
tant des LagerfĂĽhrers Karl Chmielewski, nach der einstweiligen Unterbrechung der
«Aktion 14 f 13» im August 1941 eine in Mauthausen/Gusen singuläre Tötungsme-
thode : das «Totbaden». Ende September 1941 wurden erstmals invalide und an Tuber-
kulose erkrankte Häftlinge in der Duschanlage des KZ Gusen mit eiskaltem Wasser «zu
Tode gebadet». Dabei ertranken die Häftlinge nach Kreislaufkollaps, wurden ertränkt
oder starben an den Folgen der UnterkĂĽhlung, der sie ausgesetzt worden waren. Diese
Morde wurden in der Regel als Selbstmorde getarnt.101 Die Opferzahl der «Totbade-
aktionen» konnte im Gerichtsverfahren gegen Chmielewski nicht eruiert werden, eine
Mindestzahl von 2000 Häftlingen wird angenommen.102 Parallel zu diesen Morden
bediente sich LagerfĂĽhrer Chmielewski einer weiteren brachialen Methode zur Be-
seitigung des «Häftlingsballastes». Bei der in anderen Konzentrationslagern ebenfalls
angewandten, «Seemannstod» benannten Mordmethode wurden Häftlinge kopfüber
in Fässern ertränkt.
96 Ebd., S. 131 ff.
97 Telegramm des Leiters des Amtes IV im RSHA, Heinrich Müller, an alle Stapo(leit)stellen und Kom-
mandeure der Sipo und des SD u. a. betreffend die Lagersperre fĂĽr die Konzentrationslager GroĂź-Ro-
sen, Mauthausen und Auschwitz, 5. 7. 1941, AMM, H/21/01 (Kopie aus den Arolsen Archives). Schon
zuvor, vom 7. Oktober bis zum 17. Dezember 1940, war wegen «Fällen von Infektionskrankheiten»
über Gusen eine Lagersperre verhängt worden. Ebd., Telegramm an alle Stapo(leit)stellen betreffend
Infektionskrankheiten im Arbeitslager Gusen, 7. 10. 1940.
98 Orth, System, S. 131 ff.
99 Martin, Aufstellung, 8. 5. 1945, AMM, M/1/2.
100 Vgl. Gregor Holzinger : Heinz Jentzsch, in : ders. (Hg.), Die zweite Reihe, S. 104–108.
101 Dobosiewicz, Vernichtungslager Gusen, S. 275–280.
102 Karl Chmielewski wurde 1961 wegen 282 in Gusen begangener Morde vom Landgericht Ansbach
zu lebenslanger Haft verurteilt. Vgl. Strafverfahren gegen Karl Chmielewski, Lfd. Nr. 505, in : Irene
Sagel-Grande et al. (Hg.), Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen national-
sozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966. Bd. 17 : Die vom 4.11.1960 bis 21.11.1961 ergangenen
Strafurteile. Lfd. Nr. 500–523, Amsterdam 1977, S. 160 ff. Der gelernte Elfenbeinschnitzer und Holz-
bildhauer Karl Chmielewski war ab FrĂĽhsommer LagerfĂĽhrer in Gusen, Anfang 1943 wurde er zum
Kommandanten des KZ Herzogenbusch bestellt. Mutmaßlich wegen Unterschlagung von Häftlings-
eigentum und Misshandlung und Vergewaltigung von weiblichen KZ-Häftlingen wurde Chmielewski
wegen «Zersetzung der Wehrkraft» von einem SS-Gericht zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er war
darauf selbst als KZ-Häftling im Dachauer Außenlager Allach inhaftiert. Vgl. Orth, Gab es eine Lager-
gesellschaft ; Holzinger, Heinz Jentsch.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen