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246 | Christian DĂĽrr und Ralf Lechner
zu diesem Zweck im steiermärkischen Eisenerz ein Außenlager einrichtete, erfolgreich
auf das Arbeitskräftereservoir aus dem Konzentrationslager zurückgreifen.152
Auch der ständig expandierende Steyr-Konzern konnte bei nachfolgenden Projek-
ten KZ-Häftlinge für seine Zwecke rekrutieren, so ab August 1944 bei der Panzerfab-
rik «Nibelungenwerke» in St. Valentin153 oder bei der unterirdischen Verlagerung und
Rüstungsproduktion im Kalksteinbruch im steiermärkischen Aflenz bei Leibnitz und
in Peggau.154 Zudem siedelte die Steyr-Daimler-Puch AG die Produktion von Gewehr-
teilen im Lager Gusen an, die nach Luftangriffen auf das Werk in Steyr später noch
ausgeweitet wurde.155 Gegen Kriegsende leisteten allein in Gusen etwa 5000 Häftlinge
Zwangsarbeit für den Steyr-Konzern. Für die in der Produktion eingesetzten Häftlinge
bedeuteten solche Arbeitsplätze verbesserte Existenzbedingungen, da sie in den Pro-
duktionshallen nicht nur vor Witterung geschützt waren, sondern auch mit zusätzli-
chen Lebensmitteln versorgt wurden.
Neben der oberösterreichischen Industriezone wurde auch der Großraum Wien
zu einem zentralen Standort der RĂĽstungsindustrie ausgebaut. In den Rax-Werken
in Wiener Neustadt, einem von zunächst vier Standorten für die Serienfertigung der
«A4»-Rakete, wurden ab Juni 1943 für den Aufbau der Produktionsstätte sowie später
in der Produktion selbst Häftlinge des KZ Mauthausen eingesetzt und in einem eigens
errichteten AuĂźenlager untergebracht. Nach Luftangriffen im August und November
1943 und Verlegung der Raketenproduktion nach Nordhausen wurden in den Rax-
Werken ab Juli 1944 erneut KZ-Gefangene bei der Produktion von Marine-Artille-
rie-Leichtern eingesetzt.156 Ab August 1944 setzte die Ă–sterreichische Saurer-Werke
AG an ihrem Standort im 11. Wiener Gemeindebezirk KZ-Häftlinge in der Produk-
tion von Lastkraftwagen und Panzerschleppern ein.157 In der Umgebung von Wien
entstanden in Schwechat und Wiener Neudorf wichtige Produktionsstätten für die
Luftwaffe. In Schwechat hatten ab Sommer 1942 die Ernst-Heinkel-Werke Teile ihrer
152 Vgl. Florian Freund : Eisenerz, in : Benz/Distel (Hg.), Der Ort des Terrors, Bd. 4, S. 360–362.
153 Vgl. Stefan Wolfinger : Das KZ-Außenlager St. Valentin, Wien 2009 (Mauthausen-Studien, 7).
154 Zum AuĂźenlager Leibnitz/Graz bzw. Aflenz siehe Barbara Stelzl : Lager in Graz. Zur Unterbringung
ausländischer Zivilarbeiter, Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge 1938–1945, in : Stefan Karner (Hg.),
Graz in der NS-Zeit 1938–1945, Graz 1998, S. 353–369 ; Anita Farkas : Kollektives Gedächtnis und Er-
innerungsbedarf in der Steiermark. Auf den Spuren der Erinnerung an die Konzentrationslager Aflenz,
Peggau und Schloss Lind, Diplomarb. Univ. Klagenfurt 2001.
155 Vgl. Bertrand Perz : Projekt Quarz. Die Steyr-Daimler-Puch und das Konzentrationslager Melk, Wien
1991 (Industrie, Zwangsarbeit und Konzentrationslager in Österreich, 3), S. 91–93.
156 Zum AuĂźenlager Wiener Neustadt siehe : Florian Freund/Bertrand Perz : Das KZ in der Serbenhalle.
Zur Kriegsindustrie in Wiener Neustadt, Wien 1988 (Industrie, Zwangsarbeit und Konzentrationslager
in Ă–sterreich 1).
157 Robert Vorberg : «und geben Ihnen hierzu bekannt, dass […] das Wohnlager bereits seit Kriegsende
aufgelöst ist.» Der Einsatz von KZ-Häftlingen in den Österreichischen Saurer-Werken, in : Bundesmi-
nisterium für Inneres (Hg.), Jahrbuch 2013 KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial.
Forschung – Dokumentation – Information, Wien 2014, S. 31–42.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen