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247Das
Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945 |
Flugzeugproduktion angesiedelt, für die ab August 1943 auch KZ-Häftlinge zum Ein-
satz kamen. Wegen schwerer Bombardierungen im FrĂĽhjahr und Sommer 1944 wurde
die Produktion in den Wiener Stadtteil Floridsdorf sowie in unterirdische Anlagen in
Hinterbrühl bei Mödling und in Schwechater Brauereikeller verlagert, wo neue Au-
ßenlager für KZ-Häftlinge eingerichtet wurden.158 In Wiener Neudorf produzierten
ab 1941 die Flugmotorenwerke Ostmark, ein gemeinsames Unternehmen des Reichs-
luftfahrtministeriums und der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG. Wiederum
war es Georg Meindl, neben seiner Funktion bei der SDP auch Geschäftsführer der
Flugmotorenwerke, der dem Betrieb den Zugriff auf Häftlinge des KZ Mauthausen er-
möglichte. Im August 1943 entstand auch hier ein Außenlager, das trotz wiederholter
Bombardierungen und umfangreicher Beschädigung des Werks bis April 1945 weiter-
gefĂĽhrt wurde.159
Veränderungen im Stammlager
Das Stammlager entwickelte sich ab 1943 zum Zentrum dieses Systems von AuĂźen-
lagern und fungierte als Schleuse, durch welche die Häftlinge das KZ-Universum be-
traten, sowie als Verteilungszentrum, von welchem aus sie nach den MaĂźgaben des
jeweiligen Arbeitskräftebedarfs auf die einzelnen Außenlager verteilt wurden. Neu
eintreffende Gefangene kamen in Mauthausen zunächst für zwei bis drei Wochen in
«Quarantäne».160 Wer die damit verbundenen, häufig tödlichen Initiationsprozeduren
überstand, wurde spätestens seit dem Jahr 1943 in der Regel sofort weiter in eines der
AuĂźenlager ĂĽberstellt. In den AuĂźenkommandos der RĂĽstungsindustrie wurde der je-
weilige Bedarf an Arbeitskräften, vor allem an Facharbeitern, in Mauthausen angemel-
det. Dort stellte man, je nach «Angebot», die entsprechenden Häftlingstransporte zu-
sammen. Um den ab FrĂĽhjahr 1944 infolge der Einrichtung zahlreicher KZ-AuĂźenlager
zunehmenden Bedarf an Arbeitskräften zu decken, wurden in immer größerer Zahl
Häftlinge auch aus anderen Konzentrationslagern nach Mauthausen überstellt. Dieser
systematisierte Austausch von Arbeitskräften innerhalb des gesamten Netzwerks der
158 Bertrand Perz : Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen für die Flugzeugindustrie in Schwechater Kellereien,
in : Bundesministerium für Inneres (Hg.), KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial 2012.
Forschung – Dokumentation – Information, Wien [2013], S. 19–30 ; Roman Fröhlich : Außenlager des
KZ Mauthausen in Wien an den Standorten der Ernst Heinkel Aktiengesellschaft. Eine Bestandsauf-
nahme, in : ebd., S. 31–42.
159 Bertrand Perz : Die Errichtung eines Konzentrationslagers in Wiener Neudorf. Zum Zusammenhang
von Rüstungsexpansion und Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen, in : Jahrbuch Dokumentationsarchiv
des österreichischen Widerstands (1988), S. 89–116.
160 Gegen Kriegsende verkürzte sich die Quarantäne oft auf eine Woche, manche Häftlingsgruppen wur-
den gar nicht mehr in Quarantäne genommen. Als «Quarantänelager» dienten in Mauthausen zunächst
die Häftlingsbaracken 16 bis 19, ab Frühjahr 1944 übernahm diese Funktion der sogenannte Lager-
teil II (Baracken 21 bis 24). Vgl. Maršálek, Geschichte, S. 72 f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen