Page - 17 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
Image of the Page - 17 -
Text of the Page - 17 -
17Einleitung
|
französischen aus politischen Gründen Deportierten, auch Semprún und Fonteneau,
in die Konzentrationslager im Deutschen Reich deportiert wurden.10
Jene 859Â
Ăśberlebenden, die im Mauthausen Survivors Documentation Project (MSDP)
interviewt wurden, waren im Durchschnitt in mehr als sechs Internierungs orten ge-
wesen. Viele erlebten sogar mehr als zehn Haftstationen.11 Nur wenige gelangten auf
«direk
tem» Weg aus ihrem Heimatland nach Mauthausen. Eine dieser Ausnahmen war
ein Transport mit ĂĽber 1000 Männern und 187Â
Frauen, der im Herbst 1943 aus Dnepro-
petrowsk (Dnipro) direkt nach Mauthausen geleitet wurde. «Wir sind in Waggons ver-
laden und bis nach Österreich gefahren worden,» berichtet Nadeschda Tereschtschenko
ĂĽber diesen Transport.12
Die meisten Ăśberlebenden Mauthausens, die im MSDP erfasst wurden, befanden
sich allerdings bereits auf deutschem Territorium, als sie in das Konzentrationslager
Mauthausen eingewiesen wurden. Ein Beispiel dafĂĽr ist der griechische Ăśberlebende
Iakovos Kambanellis, bekannt fĂĽr seine Gedichte, die von Mikis Theodorakis in der
«Mauthausen-Kantate» vertont wurden. Kambanellis kam zunächst freiwillig nach
Österreich – wie viele Griechen, die der durch die deutsche Besatzung ausgelösten
Hungerkatastrophe entgehen wollten. Er wurde im Herbst 1942 beim Versuch, mit
gefälschten Papieren in die Schweiz zu gelangen, verhaftet, über Gefängnisse in Inns-
bruck und Wien zunächst in das der Gestapo unterstehende Arbeitserziehungslager
Oberlanzendorf eingewiesen und im Oktober 1943 nach Mauthausen gebracht.13
Semprún betont mit der «Großen Reise» allerdings einen wichtigen Punkt, der auch
in den Erzählungen der im Mauthausen Survivors Documentation Project (MSDP) in-
terviewten Ăśberlebenden immer wieder aufscheint : das Ăśberschreiten der Grenzen
des Heimatlandes. Die ukrainische Ăśberlebende Nadeschda Bulawa beschreibt diesen
Moment, als sie als Zwangsarbeiterin deportiert wurde : «Alle waren verängstigt : Wo-
hin werden sie uns fahren, was wird mit uns sein ? Sie haben uns nach Deutschland
gefahren.»14 Für manche begann die Deportation schon mit dem erzwungenen Verlas-
sen der näheren Wohngegend : «Am zweiten Tag sind wir in ein anderes Dorf getrieben
10 Das «Frontstalag 122» unterstand dem Sicherheitsdienst des SD. Im Lager wurden etwa 54.000 Perso-
nenÂ
– politische Häftlinge, Geiseln, aber auch JudenÂ
– interniert, von denen ca. 50.000 deportiert wurden.
Vgl. Beate Husser et al.: Frontstalag 122 Compiègne-Royallieu. Un camp d’internement allemand dans
l’Oise 1941–1944, Beauvais 2008.
11 Vgl. dazu den Beitrag von Heinrich Berger und Alexander Prenninger «Die Interviewten des MSDP –
Oral History und Quantifizierung» in Band 1.
12 AMM, MSDP, OH/ZP1/031, Interview mit Nadeschda Michajlowna Tereschtschenko, Interviewer : Kirill
Wasilenko, Dnepropetrowsk, 7. 5. 2002. Vgl. dazu Alexander Prenninger, Das letzte Lager. Evakuierungs-
transporte in der Endphase des KZ-Komplexes Mauthausen, phil. Diss. Univ. Wien 2017, S. 35–42.
13 AMM, MSDP, OH/ZP1/625, Interview mit Iakovos Kambanellis, Interviewer : Gregorios Psallidas, Athen,
19. 12. 2002. Vgl. Iakovos Kambanellis : Die Freiheit kam im Mai, Wien 2010.
14 AMM, MSDP, OH/ZP1/152, Interview mit Nadeschda Filippowna Bulawa, Interviewer : Kirill Wasilenko,
Donezk, 16. 6. 2002.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
back to the
book Deportiert nach Mauthausen, Volume 2"
Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen