Page - 20 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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20 | Alexander Prenninger, Regina Fritz, Gerhard Botz, Melanie Dejnega und Heinrich Berger
hausen kursierten auch in anderen Lagern und in den besetzten Gebieten. Semprún
schreibt etwa in seiner «Großen Reise» : «In Österreich war ein anderes Lager, wo man
ebenfalls nur hoffen konnte, nicht hinzukommen.»23 Die besondere Funktion des La-
gers war auch einer der Gründe dafür, dass Mauthausen nach der anfänglichen Ein-
weisung von vorwiegend politisch und sozialrassistisch Verfolgten aus dem Deutschen
Reich und Österreich im Zuge der deutschen Expansion immer mehr zu einem Ort der
Verfolgung von Menschen aus ganz Europa wurde.
Entgegen einer sich in jüngster Zeit immer stärker verfestigenden Ansicht war
Mauthausen kein Vernichtungslager per se. Es ist aber von Bedeutung, dass es sehr
wohl auch für die Ermordung bestimmter Verfolgtengruppen genutzt wurde, wie
der 1941/42 nach Mauthausen deportierten holländischen Juden, tschechischer
Widerstands kämpfer oder der «Sicherungsverwahrten».24 Im Gedächtnis der Häftlinge
ist diese Funktion Mauthausens auch Monate und Jahre nach den Mordaktionen prä-
sent geblieben, und die Angst vor einer möglichen Ermordung wurde immer weiterer-
zählt. Die tschechische Überlebende Eva Selucká berichtet etwa, dass ein SS-Bewacher
im April 1945 den Häftlingen im Transport sagte :
«‹Ja, wir werden nach Mauthausen fahren›, sagte Herr Waffen-SS [macht ihn nach], ‹und das
nennt man Mordhausen.› Denn dort also … wie dort holländische Juden geschickt wurden,
die waren innerhalb von 14 Tagen alle tot … [macht ihn nach] ‹und dort wird im Großen
gemordet› [zynisch], und so hat er uns also – angenehm – beruhigt und ich habe mich noch
gewundert, worüber er da so redet, und ihm war klar, dass das das Ende ist …»25
In den Niederlanden berichtete die Untergrundzeitung «Het Parool» im September
1941 über das «Todeslager in Mauthausen».26 Im November desselben Jahres erschien
in der «New York Times» ein Artikel über «a concentration camp in Mauthauzen [sic !],
Austria», in dem berichtet wird, dass hunderte junge Männer dort an erschöpfender
Arbeit, harter Behandlung, schlechtem Essen und unhygienischen Lebensbedingun-
gen gestorben seien.27
Als Folge der militärischen Entwicklungen und des wachsenden Bedarfs an Arbeits-
kräften in der Rüstungsindustrie fand auch ein Funktionswandel der nationalsozialis-
23 Semprún, Die große Reise, S. 18.
24 Einen Überblick gibt Detlef Garbe : Die Konzentrationslager als Stätten des Massenmordes. Zur Ge-
schichte der anderen Tötungsverfahren und der notwendigen Einordnung des Gasmordes, in : Günter
Morsch et al. (Hg.), Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas. Historische
Bedeutung, technische Entwicklung, revisionistische Leugnung, Berlin 22012 (Schriftenreihe der Stiftung
Brandenburgische Gedenkstätten, 29), S. 316–334.
25 AMM, MSDP, OH/ZP1/817, Interview mit Eva Selucká, Interviewerin : Jana Drdlová, Brünn, 9. 3. 2003.
26 Het doodenkamp te Mauthausen [Das Totenlager in Mauthausen], in : Het Parool, Nr. 22 (11. 9. 1941),
S. 4. Siehe dazu den Beitrag von Katja Happe in diesem Band.
27 400 of 680 Sent to Camp Dead, in : The New York Times (18. 11. 1941).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen