Page - 21 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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21Einleitung
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tischen Konzentrationslager statt, durch den die Produktion kriegswichtiger GĂŒter wie
Fahrzeuge, Bekleidung und Waffen an Bedeutung gewann. Physischer und psychischer
Terror wurden dort ab 1943/44 vordringlich als Hilfsmittel zur Erzwingung von Pro-
duktivitĂ€t eingesetzt. DafĂŒr wurden nicht nur in groĂer Zahl AuĂenlager an wichti-
gen Produktionsstandorten errichtet, sondern auch neue Gruppen von HĂ€ftlingen wie
Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen aus allen besetzten LĂ€ndern
Europas nach Mauthausen und in die AuĂenlager deportiert. Gleichzeitig nahm der
Verfolgungsdruck auch auf die bereits im Inneren des Reiches befindlichen Zwangs-
arbeiterinnen und Kriegsgefangenen zu : Fluchtversuche, tatsÀchliche oder vermutete
Feindpropaganda oder Sabotage waren die hĂ€ufigsten BegrĂŒndungen fĂŒr eine Ein-
weisung in das Konzentrationslager Mauthausen. AuĂerdem wurden auch weiterhin
bestimmte Gruppen von HĂ€ftlingen zur Ermordung nach Mauthausen geschickt, wie
etwa kriegsgefangene sowjetische Offiziere im Rahmen der «Aktion K».
In den letzten Kriegsmonaten verÀnderte sich die Struktur der HÀftlingspopulation
des KL Mauthausen erneut stark. Im Gegensatz zu anderen Lagern wurde es nur teil-
weise evakuiert und war â bedingt durch die geografische Lage â vielmehr Ziel zahl-
reicher Evakuierungstransporte und TodesmÀrsche aus gerÀumten Lagern und Ge-
fÀngnissen im Westen und Osten. Im Zuge dieser Transporte kamen ab Sommer 1944
eine groĂe Zahl von jĂŒdischen HĂ€ftlingen sowie ab Herbst 1944 auch Frauen nach
Mauthausen. Bedingt durch die Ăberbelegung, die unzureichende medizinische Ver-
sorgung, die notdĂŒrftigen sanitĂ€ren Bedingungen und die UnterernĂ€hrung stieg die
Todesrate unter den HĂ€ftlingen dramatisch an. Gleichzeitig wurden Mauthausen und
seine AuĂenlager fĂŒr viele Verfolgte schlieĂlich zum Ort ihrer Befreiung.
Als der letzte von den Alliierten befreite KZ-Komplex erfuhr Mauthausen alle Pha-
sen des Krieges und der Verfolgungspolitiken im Reich und in den besetzten Gebieten.
Aufgrund seiner langen Existenz werden an seinem Beispiel der Funktionswandel der
nationalsozialistischen Lager und die damit in Zusammenhang stehenden VerÀnde-
rungen der HĂ€ftlingsgesellschaft und der Lebensbedingungen besonders deutlich. Die
VerÀnderungen in Funktion und Struktur der Konzentrationslager spiegeln sich auch
in den lebensgeschichtlichen ErzĂ€hlungen jener Ăberlebenden wider, die im Rahmen
des Mauthausen Survivors Documentation Project interviewt wurden. Es sind diese
Lebenserinnerungen, die im Zentrum dieses Bandes stehen. Dadurch und durch die
Verbindung mit struktur- und erfahrungsgeschichtlichen AnsÀtzen wird hier ein in der
Forschung bisher dominanter, von den Verwaltungsakten der Verfolgungsbehörden
gelenkter Blick auf die Erfahrungen der Deportierten ergÀnzt und erweitert.
Eine Untersuchung der Verfolgungswege der Ăberlebenden des Konzentrations-
lagers Mauthausen in ihren jeweiligen regionalen Kontexten wie die hier vorliegende
war nur durch die Zusammenarbeit mit einem internationalen Netzwerk von Experten
und Expertinnen möglich, die in der Lage waren, die groĂteils in den Originalsprachen
ohne Ăbersetzung vorliegenden Interviews zu verstehen. AuĂerdem brachten viele
Autorinnen und Autoren ihre Expertise hinsichtlich der Geschichte der Besatzungs-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen