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30 | Alexander von Plato
Kurzbiografien
In einem so kurzen Aufsatz können nur einige Lebenswege von Befragten vorgestellt
werden. Um die Bandbreite der Wege deutscher Inhaftierter, inklusive derer, die erst in
der Nachkriegszeit Deutsche wurden, nach Mauthausen anzudeuten, werden im Fol-
genden sechs Interviews beschrieben. Auf diese Weise kann die Vielschichtigkeit der
heute in Deutschland lebenden ehemaligen Mauthausen-Häftlinge vor Augen geführt
werden.
Wolfgang Rebhun
Der 1927 geborene Wolfgang Rebhun hatte einen jĂĽdischen Vater und eine evangeli-
sche Mutter.34 Zusammen mit seiner Schwester wuchs er in Berlin auf. Nach dem No-
vemberpogrom 1938 wurde der Vater nach Polen ausgewiesen. Ein Jahr später folgten
ihm die Mutter, die sich nicht von ihrem Mann trennen wollte, und die beiden Kinder.
Die Familie lebte ab Herbst 1940 im Warschauer Ghetto und flĂĽchtete 1942 aufs Land.
Im März 1942 wurden Wolfgang Rebhun und sein Vater verhaftet und für einen Monat
in das jüdische Zwangsarbeitslager Deblin (Dęblin) eingewiesen. Nachdem sein Vater
im August 1942 bei einer Razzia gefangen genommen und vermutlich in Treblinka
ermordet worden war, kehrte die Familie nach Warschau zurĂĽck, wo sie sich in einer
Wohnung auĂźerhalb des Ghettos versteckte. Rebhuns Mutter nahm sogar noch ein
Kleinkind auf, seine 1942 geborene Pflegeschwester, die überlebte, Jahrzehnte später
nach ihm suchen lieĂź und den Kontakt von Israel aus mit ihm aufnahm.35 Wolfgang
Rebhun schloss sich in Warschau der kommunistischen Volksarmee (Armia Ludowa)
an, fĂĽr die er Kurierdienste ĂĽbernahm.
Im Zuge des Warschauer Aufstandes im Spätsommer 1944 wurde die Familie verhaf-
tet und getrennt. Die Deportation im Zusammenhang mit dem Warschauer Aufstand
erklärt vermutlich, warum er nicht als Jude, sondern als politischer Häftling mit rotem
Winkel in Mauthausen am 3. September 1944 eingewiesen wurde.36 Nach kurzer Zeit
kam er ins Außenlager Wiener Neudorf. Am 11. Jänner 1945 floh er mit Hilfe eines
öster reichischen Zivilarbeiters und lebte dann illegal bis zur Befreiung in Wien bei
34 AMM, MSDP, OH/ZP1/228, Interview mit Wolfgang Rebhun, Interviewer : Alexander von Plato, Ober-
hausen, 23. 9. 2002.
35 Pnina Gutman hat ihre Suche nach den Rebhuns ausfĂĽhrlich beschrieben in : Who Am I, What Is My
Name ?, Identifinders’ Blog, 10. 12. 2012, URL : https://identifinders.wordpress.com/2012/12/10/who-am-
i-what-is-my-name-part-i-pnina-otwoc-and-the-kazcmareks/ (5. 5. 2020).
36 Laut seiner Häftlingspersonalkarte wurde er am 5. September 1944 in Mauthausen mit der Nummer
95.864 registriert und nach zwei Wochen Quarantäne am 18. September nach Wiener Neudorf verlegt.
Häftlingspersonalkarte von Wolfgang Rebhun, Doc. No. 171256, 1.1.26.3, ITS Digital Archive, Arolsen
Archives (ehemals International Tracing Service – ITS).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen