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44 | Alexander von Plato
zu «knabbern» gab, 1947 nach Belgien in den Bergbau. Diese Arbeit wurde ihm jedoch
zu hart und ungesund, sodass er wieder nach Deutschland zurĂĽckkehrte, wo er seit
1950 eine Arbeit beim Stahlwerk in Paderborn fand, bei der er bis zu seiner Rente blieb.
Mitte der 1950er Jahre lernte er seine erste Frau kennen, die ihn zu den Zeugen
Jehovas fĂĽhrte und die er 1956 heiratete ; mit ihr hat er einen Sohn. Nach dem Tod sei-
ner Frau heiratete er ein zweites Mal, eine ebenfalls verwitwete Zeugin Jehovas. Beide
Frauen stammten aus Familien, die während des Nationalsozialismus wegen ihres
Glaubens verfolgt worden waren. Eine erste Entschädigung erhielt Herr Jurcryk 1987,
eine weitere mit Hilfe der Zentrale der Zeugen Jehovas.
Interpretationen
Die Verfolgung von politischen Gegnern, Juden oder Sinti und Roma begann im Deut-
schen Reich unmittelbar nach 1933. So musste man frĂĽher als in den Gebieten, die
während des Zweiten Weltkrieges von der Wehrmacht besetzt wurden, bereits die ver-
schärfte Verfolgung durch das inzwischen entwickelte nationalsozialistische Terrorsys-
tem und das System der Zwangs- und Sklavenarbeit fĂĽr den Kriegseinsatz sowie das
Kriegsrecht erleben. Die Zahl der in die Emigration getriebenen Juden ist in Deutsch-
land deshalb anteilig höher als in den besetzten Gebieten, umgekehrt überwog in Ost-
europa die Zahl der ermordeten im Verhältnis zu den vertriebenen Juden.
Dieser Befund schlägt sich auch in den Berichten der von uns befragten politi-
schen Häftlinge nieder. So waren deutsche Kommunisten und andere «Politische»
häufig früh im Widerstand aktiv und wurden dementsprechend auch früh verhaftet.
Die ersten Konzentrationslager wurden schon 1933 nach dem Reichstagsbrand ein-
gerichtet, um die politischen Gegner des Nationalsozialismus, insbesondere die Lin-
ken, mundtot zu machen, durch Gewalttätigkeiten und Folter einzuschüchtern oder
gar zu ermorden. Dennoch ist diese Haft in den «frühen» Konzentrationslagern mit
der in den späteren Konzentrations- und Vernichtungslagern während des Krieges
kaum zu vergleichen, so auch nicht mit jener in Mauthausen und in den AuĂźenlagern :
Die Wachmannschaften waren weniger einheitlich, weniger brutal als in den späteren
Konzentrationslagern, es gab geringere Kontrolle, freiere Bewegung bei der Arbeit,
mehr Kontakt mit «normalen Arbeitern». Das zeigt einmal mehr, wie sehr man auch
in der Zeit unterscheiden muss, wenn man die Erfahrung der Verfolgung und deren
Bedeutung für das weitere Leben der Verhafteten – auch in den verschiedenen Kon-
zentrationslagern und in der Nachkriegszeit – untersuchen möchte. Da Mitglieder
politischer Oppositionsgruppen und politisch aktive Deutsche schon seit 1933 ver-
folgt und bereits frĂĽh in Konzentrationslagern inhaftiert wurden, waren sie zum Zeit-
punkt der Befreiung relativ alt. Da die meisten Interviewprojekte mit Ăśberlebenden
von Konzentrationslagern erst spät in der Nachkriegszeit begannen, sind sie selten
unter den Befragten zu finden.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen