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86 | Peter Hallama
Die Deportationen nach Mauthausen
Dass das KZ Mauthausen in erster Linie mit dem politischen Widerstand verbunden
wird, hat einen Grund auch in der Tatsache, dass ĂĽber mehrere Jahre hinweg haupt-
sächlich als «politisch» kategorisierte Tschechen in das Konzentrationslager eingeliefert
wurden. So befanden sich auch bereits unter den allerersten Transporten politischer
Häftlinge nach Mauthausen im Mai 1939 Sudetendeutsche und Tschechen.16
In den ersten zwei Kriegsjahren standen jedoch die Repressionen der Nationalsozia-
listen auf dem Boden der Tschechoslowakei meist nicht in direktem Zusammenhang
mit dem Konzentrationslager Mauthausen. Der Eingliederung der Sudetengebiete im
Oktober 1938 ebenso wie der Okkupation Böhmens und Mährens im März 1939 folgte
zwar jeweils eine Welle von Repressionen und Inhaftierungen von Kommunisten, So-
zialdemokraten, Juden und anderen dem Regime missliebigen Personen. Die Mehrzahl
der Inhaftierten wurde jedoch in Gefängnissen festgehalten oder ins Konzentrations-
lager Dachau gebracht.17 So wurden selbst die ersten zwei Transporte von Tschechen
nach Mauthausen im Mai und Juni 1939 schlieĂźlich weiter nach Dachau ĂĽberstellt.18
Und nach den Demonstrationen im Herbst 1939 und der SchlieĂźung der tschechischen
Universitäten im Protektorat wurden über tausend Studenten ins KZ Sachsenhausen
deportiert.19
Mauthausen wird dagegen erst ab dem Herbst 1941 zu einem bedeutenden «tsche-
chischen Ort».20 Insbesondere in drei großen Wellen fanden zwischen 1941 und dem
Kriegsende Massendeportationen nach Mauthausen statt : Zunächst folgte der Ernen-
nung Reinhard Heydrichs zum stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und
Mähren im September 1941 eine deutliche Verschärfung des Protektoratsregimes.
Zur Einschüchterung der Bevölkerung wurde der Ausnahmezustand verhängt, scharf
16 Florian Freund/Bertrand Perz : Mauthausen – Stammlager, in : Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Der
Ort des Terrors. Bd. 4 : Flossenbürg – Mauthausen – Ravensbrück, München 2006, S. 293–346, hier 308 ;
Maršálek, Geschichte, S. 137 f.
17 Siehe etwa Ralf Gebel : «Heim ins Reich !» Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938–1945),
München 2000 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum, 83), S. 69–80 ; Leopold Grünwald : Sude-
tendeutscher Widerstand gegen den Nationalsozialismus. FĂĽr Frieden, Freiheit, Recht, Benediktbeuern
1986 (Veröffentlichung des Sudetendeutschen Archivs, 23), S. 25–27.
18 Maršálek, Geschichte, S. 137 f.
19 Siehe dazu Brandes, Die Tschechen, TeilÂ
I, S. 89–95. In der Folge kamen von diesen Studenten auch einige
nach Mauthausen : Siehe Karel Krátký : Nové svědectvà k bilanci studentských obětà [Ein neues Zeugnis
zur Bilanz der studentischen Opfer], in : Výbor historické skupiny 17. listopadu 1939 (Hg.), 17. listopad
1939 po 55 letech [Der 17. November 1939 nach 55 Jahren], Praha/Brno 1994, S. 27–31 ; Tomáš Pasák :
17. listopad 1939 a Univerzita Karlova [Der 17. November 1939 und die Karlsuniversität], Praha 1997,
S. 147.
20 Vlastislav Kroupa etwa schätzt die Anzahl der tschechischen Häftlinge (die er allerdings ethnisch defi-
niert) bis Herbst 1941 auf unter 20, Karel Nosek gar nur auf ca. zehn Personen. Kroupa, KoncentraÄŤnĂ
tábory, S. 43 ; Nosek, Krvavé kaskády, o. S., Fn. 14.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen