Page - 102 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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102 | Peter Hallama
Im Herbst 1944 wurde er ins Konzentrationslager Mittelbau-Dora versetzt und kam
erst an der Jahreswende 1944/45 nach Mauthausen. Hier war er allerdings nicht mehr
Mitglied der SS-Mannschaft, sondern fungierte bis Kriegsende als Leiter der Spionage-
und Sabotage-Abwehr.63
Evakuierungstransporte und Todesmärsche
Die letzte Welle an tschechischen Häftlingen erreichte das Konzentrationslager Maut-
hausen im Zuge der Evakuierungen nationalsozialistischer Lager und Gefängnisse ge-
gen Kriegsende. Eine beträchtliche Anzahl an Tschechinnen und Tschechen wurde so
zwischen Jänner und Mai 1945 unter anderem aus Auschwitz-Birkenau oder Freiberg,
einem Außenlager des KZ Flossenbürg, aber etwa auch aus dem Gestapo-Gefängnis im
BrĂĽnner Kaunitz-Studentenheim nach Mauthausen getrieben.
Noch im Jänner 1945, nach einem achttägigen Transport, zur Hälfte zu Fuß, die
andere Hälfte auf Kohlewaggons, erreichte Karl Brozik (BroĹľĂk) das KZ Mauthausen.
Brozik wurde als Karl Abeles am 4. Februar 1926 in Teplitz in eine deutsch-jĂĽdische
Familie geboren. Er besuchte ein deutsches Realgymnasium, als die Sudetengebiete
im Oktober 1938 durch das Deutsche Reich annektiert wurden. Während ein Teil sei-
ner Familie emigrierte, zogen seine Eltern mit ihm nach Prag, wo er seine schulische
Ausbildung auf Tschechisch fortsetzte und sich zunehmend in einem jĂĽdischen und
zionistischen Umfeld bewegte. Im Oktober 1941 wurde er ins Ghetto Litzmannstadt
deportiert, wo seine Eltern und sein Bruder ermordet wurden. Nachdem im Sommer
1944 das Ghetto aufgelöst worden war, kam Brozik nach Auschwitz-Birkenau, wo er
sich als «Schwachstrom-Spezialist» meldete, dadurch der Selektion entging und in der
Schlosserei eingesetzt wurde. Am 18. Jänner 1945, wenige Tage vor der Befreiung des
Lagers durch die Rote Armee, begann fĂĽr Karl Brozik der Evakuierungsmarsch nach
Mauthausen. Als nach vier oder fünf Tagen der Bahnhof in Mährisch Ostrau erreicht
war, gelang es Erich Kulka, einem tschechischen Mitgefangenen, der von Karl Brozik
nur «Kapo» genannt wird, zu flüchten.
«Ich hab’s auch getan, bin aber ein … äh, aufgefordert worden von einer barmherzigen
Schwester, die mich gesehen hat, ich soll doch zurĂĽckkehren, da der ganze Bahnhof sei um-
stellt von Hunden und SS-Leuten und dass … ich hatte keine Chance rauszukommen. Der
Unterschied zwischen mir und dem Kapo war darin, dass ich eine Glatze hatte […] und
63 Eugen Kogon : Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, MĂĽnchen 1946, S. 31 f.;
Ernst Klee : Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 ?, Frankfurt a. M.
22003, S. 486 ; French L. MacLean : The Camp Men. The SS Officers Who Run the Nazi Concentration
Camp System, Atglen, PA 1999, S. 186 ; Pike, Betrifft : KZ Mauthausen, S. 29 ; David W. Pike : Spaniards in
the Holocaust. Mauthausen, the Horror on the Danube, London/New York 2000, S. 197.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen